Namen wie Loccum, Hofgeismar, Bad Boll und Tutzing hätten schon lange nicht mehr den Klang alter Tage, meinen die Autoren Andreas Öhler und Wolfgang Thielmann. Die intellektuell herausfordernden Debatten von früher gebe es schon lange nicht mehr. Auch die „Startheologen“ treten häufig nicht mehr in den eigenen Einrichtungen auf.
Entpolitisiertes Engagement
Die Autoren sehen einen Zusammenhang mit einer „Krise der Religion“, der „Marginalisierung der Kirchen“ und der „Pluralisierung der Gesellschaft“. Zudem sei das klassische evangelische Bildungsmilieu weggebrochen. Sie vergleichen die Einrichtungen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern, die auch mit einem Bildungsauftrag versehen, „Gebühren kassieren, den Kulturverfall beklagen und den Privaten alles nachmachen“.
Die Einrichtungen seien immer ein „Bollwerk gegen eine schwindende Diskurs-Kultur“ gewesen. Viele europäische Länder hätten sogar das deutsche Konzept für ihre Akademien übernommen. Die Probleme der deutschen Häuser seien tiefgreifender. Arbeitsbedingungen der Kirchen erleichterten nicht gerade eine Neuausrichtung. Auch die geographische Lage erweise sich oft als nachteilig. Nachgelassen habe auch die Medienpräsenz, was Tagungsberichte in den großen Tageszeitungen angehe. Die Akademien selbst haben ein Papier erstellt, in dem sie konstatieren, dass sich „das Engagement kirchentreuer Menschen entpolitisiert“.
Impulsgeber
Einige Einrichtungen gelten immer noch als politisch gefärbt. Mitarbeiter, die namentlich nicht genannt werden, bemängeln, dass der Abbau von Stellen nicht so stattgefunden hätte, „wenn die Kirche stolz auf ihre Akademie“ wäre. Frank Vogelsang, Leiter der Evangelischen Akademie im Rheinland, sieht sein Haus als „Impulsgeber für eine in der Moderne sprachfähige Kirche“. Nach wie vor gehören die Häuser noch zu den größten Akteuren der Zivilgesellschaft. Die Autoren dagegen sehen die Stärke der Einrichtungen in der Tradition. „In der Ära der Patchwork-Religionen löst thematische Breite die diskursive Tiefe ab.“ Auch sei es immer wichtiger, prominente Namen im Programm zu haben.
Auf den Vorwurf der Agonie hätten die Institutionen mit Aktionismus reagiert. „Doch mit Event-Rezepten kann man die Akademien genauso wenig retten, als wenn man sie zu Pilgerstätten für Einkehr und Besinnung umfunktionieren würde“, meinen Thielmann und Öhler. Protestantische Christen hätten hier das Denken großer Theologen gelernt. Wolfgang Huber, der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende, habe auf einer Tagung 1973 gefordert, dass die Kirche politisch nicht neutral sein dürfe, sondern Partei für die Notleidenden ergreifen müsse. Mittlerweile gehörten die Akademien selbst zu den Notleidenden, „Doch wer ergreift für sie Partei?“, fragen Thielmann und Öhler abschließend. (pro)