"Millionen Evangelikaler haben sich mittlerweile von der religiösen Rechten losgesagt und treten nun für eine gegen Militarismus und Konsumdenken gerichtete Politik ein, in deren Mittelpunkt die Bekämpfung der Armut, der Umweltschutz und eine Reform der Einwanderungsgesetzte stehen", schreibt Marcia Pally in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Die New Yorker Professorin für Multilinguale und Multikulturelle Studien sorgte jüngst mit ihrem Buch "Die Neuen Evangelikalen" für Aufsehen. Im Mittelpunkt ihres Werks steht die These vom politischen Wandel der gläubigen Christen in den USA.
Individualismus brachte Leid
Glaube und Politik sind in den Vereinigten Staaten von jeher verbunden, schreibt Pally in der FAZ. Die amerikanischen Kirchen seien, anders als die europäischen, von unten nach oben aufgebaut. Im Mittelpunkt ihres Engagements stehen die Volksnähe und der Glaube an die Individualität jedes Menschen. Deshalb, so Pally, wählten weiße Protestanten aller sozialen Schichten, und besonders die Evangelikalen, mehrheitlich die republikanische Partei. Diese stehe seit mehr als hundert Jahren für das Modell eines "schwachen Staates", der möglichst wenig reguliere und dem Individuum viel Freiraum lasse. "Wenn Protestanten, Evangelikale und auch Mormonen für die Republikaner stimmen und damit den ’schwachen Staat‘ wählen, dann stimmen sie letztlich für ihre eigenen Grundüberzeugungen und Werte", erklärt Pally.
Im zurückliegenden Jahrhundert habe aber gerade der freie und unregulierte Markt auch große Not über Teile der Bevölkerung gebracht. Das widerspreche dem von Jesus geforderten Dienst an den Armen. "Dieser religiöse Auftrag führte etwa ein gutes Drittel der Protestanten in das Lager der Demokraten", schreibt Pally und weiter: "Und zwar sowohl solche mit niedrigem Einkommen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, als auch solche mit hohem Einkommen, die der Ansicht sind, der Staat müsse den einfachen Leuten helfen, Boden unter die Füße zu bekommen." Noch immer spreche sich ein Großteil der Protestanten für einen schwachen Staat aus, bei den Evangelikalen seien es aber nur noch 48 Prozent. "Ein bemerkenswerter Rückgang", bemerkt Pally.
Evangelikale zwingen Republikaner zum Wandel
Die meisten "Neuen Evangelikalen" seien nach wie vor etwa gegen Abtreibung. Doch anstatt diese Forderungen politisch durchsetzen zu wollen, bemühten sie sich, durch finanzielle oder medizinische Hilfe eine Verringerung der Abtreibungszahlen herbeizuführen. Zwar wählten zahlreiche Evangelikale nach wie vor republikanisch. Doch ihr politisches Umdenken könnte die Partei zu einem Wandel zwingen, glaubt Pally. (pro)
Eine ausführliche Rezension von Marcia Pallys Buch "Die Neuen Evangelikalen" lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro.