Am Freitag ist eine Dialogrunde zwischen Katholiken und Vertretern der Weltweiten Evangelischen Allianz zu Ende gegangen. Die geplante gemeinsame Erklärung kommt wohl erst im nächsten Jahr. Das hat seine Gründe.
Von PRO
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Vertreter der Katholischen Kirche und der Weltweiten Evangelischen Allianz haben sich vergangene Woche in Bad Blankenburg zum Dialog getroffen
Es ist der vorletzte Tag der Konsultation. Um elf Uhr ist ein Pressegespräch angesetzt. Seit vier Tagen beraten neun Vertreter der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) und fünf der Katholischen Kirche im Evangelischen Allianzhaus in Bad Blankenburg über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wege, um miteinander zu kooperieren. Am Ende dieser Woche sollte eine gemeinsame theologische Erklärung stehen – so war es angekündigt. Aber die ist noch nicht fertig. Das Gremium benötigt noch eine weitere Tagung dafür, nächstes Jahr in Kanada. „Zu viele Themen“, sagt Rolf Hille, Direktor für ökumenische Angelegenheiten der WEA. Da könnten sich Dinge verzögern. Bereits zum fünften Mal treffen sich die Delegierten zu überkonfessionellen Beratungen. Für die Katholische Kirche ist es nur einer von vielen innerchristlichen Dialogen – angefangen von Gesprächen mit Orthodoxen bis hin zu den Pfingstlern. Hille hat die Konsultationen im Jahr 2008 initiiert. Beim ersten der jährlichen Treffen ging es um ethisch-dogmatische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Evangelikalen und Katholiken. Danach wurde über das Verhältnis von Schrift und Tradition diskutiert und darüber, welche Bedeutung die Institution Kirche bei der Vermittlung des Heils hat.
Ein Streitpunkt ist auch in dieser Woche wieder die Frage gewesen, wie die Katholische Kirche Traditionen begründet, die nicht aus der Bibel hergeleitet werden können, wie beispielsweise das Papstamt oder die Marienverehrung, sagt Hille. Oder ob ein Mensch sagen kann, dass er sich des Heils gewiss ist. „An manchen Stellen können wir uns mit den Katholiken einigen, an anderen müssen wir einsehen, dass das ihre Gewissensentscheidungen sind.“ Der kanadische katholische Bischof Donald Bolen machte eine weitere Differenz deutlich: Katholiken und Evangelikale teilten dieselbe Vision von der Ehe. Aber sie unterschieden sich etwa bei der Frage der Schwangerschaftsverhütung oder darin, wie sie damit umgehen, wenn Ehen scheitern.
Kein Rosenkranz in der Allianz
„Wir schließen keine Kompromisse, denn wir führen keine Verhandlung“, konstatiert Bolen. „Wir führen einen ehrlichen Dialog und wollen die Bereiche finden, in denen es Überschneidungen gibt. Diese gilt es dann in gemeinsames Handeln zu übersetzen.“ Einheit, nicht Einheitlichkeit sei das Ziel, so formuliert es Bischof Rodolfo Valenzuela Núñez aus Guatemala. Hille betont: „Es geht nicht darum, die Kirchen miteinander zu verschmelzen. Wir wollen nicht den Rosenkranz einführen.“ Aber im Gebet, in ethischen Fragen wie dem Lebensschutz, in der Nächstenliebe und Fürsorge sollten Katholiken und Evangelikale zusammenstehen. Das ist nach Hilles Ansicht auch deswegen notwendig, weil die Christenheit vor drei großen Herausforderungen stehe: der Säkularisierung, einer globalen und multireligiösen Gesellschaft sowie einer ethischen Desorientierung in der Postmoderne. „Da sollten wir uns als Christen gegenseitig stärken und gemeinsam Zeugnis geben.“
Nur zwei Journalisten sind zum Pressegespräch gekommen. So richtig vorbereitet scheint die Gruppe darauf nicht zu sein. Sie tagt bis unmittelbar vorher. Für die Presse finden sich am Tischkreis noch zwei Plätze. Da die Dialogpartner das geplante Papier noch nicht erarbeitet haben, können sie auch noch keine finalen schriftlichen Ergebnisse präsentieren. Die Gruppe, die da zusammensitzt, ist sehr bunt, ein „Mikrokosmos“, sagt Monsignore Juan Fernando Usma Gómez. Er koordiniert als Mitglied des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen die katholischen Vertreter. Mit ihren Kollarhemden sind diese leicht als Katholiken zu erkennen – mit Ausnahme der einzigen Dame in der ganzen Runde, Beatriz Sarkis Simoes, die ebenfalls zur katholischen Seite gehört. Doch nicht nur die unterschiedliche Konfession, sondern auch die internationale Besetzung ist eine Herausforderung. Die Teilnehmer kommen aus Italien, Spanien, Kolumbien, Guatemala, Brasilien, den USA, Kanada, Kenia, von den Philippinen und aus Deutschland. Das Verhältnis zwischen Evangelikalen und Katholiken ist in diesen Ländern sehr unterschiedlich. Dementsprechend unterscheiden sich auch die jeweiligen nationalen und lokalen Kontexte der Delegierten. Vor allem dort, wo die Katholische Kirche dominiert, wie in Italien oder Spanien, gibt es Spannungen zwischen Evangelikalen und Katholiken. Das Ziel ist es, dass die geplante Erklärung an der gemeindlichen Basis in allen Ländern mitgetragen werden kann.
Zu Gast bei Freunden
Doch genau dieser Anspruch macht die Arbeit der Kommission schwierig. Denn eine Formulierung, die in den USA akzeptabel ist, kann in Europa missverstanden werden. Auch die Bereitschaft von Evangelikalen, sich mit Katholiken an einen Tisch zu setzen, ist in den verschiedenen Ländern nicht gleichermaßen gegeben. Diese Unterschiede sollen in dem Papier berücksichtigt werden. Deshalb ist es den Delegierten wichtig, auch die Gegebenheiten in den jeweiligen Ländern kennenzulernen, in denen sie sich treffen. So waren sie während einer Konsultationstagung in Chicago in einer Megachurch und haben in Rom den Vatikan kennengelernt. Zum Abschluss der diesjährigen Tagung besuchen sie Stätten der Reformation in Mitteldeutschland. Den Theologen ist es wichtig, nicht nur akademische und theoretische Diskussionen zu führen, sondern die Erfahrungen, die sie selbst bei den Gesprächen machen, weiterzugeben. „Wir reden hier in einer versöhnten Atmosphäre miteinander“, sagt Bolen. „Aber wie kommunizieren wir das nach außen? Das Dokument soll deshalb einen praktischen Schwerpunkt haben mit Ideen für die lokalen Gemeinden“ – ein Aufruf zum Handeln, wie er sagt.
Kurz vor zwölf weist der deutsche WEA-Koordinator Hille darauf hin, dass es noch drei Minuten bis zum Mittagessen sind. Gómez, sein katholisches Gegenüber, der in Rom lebt und aus Kolumbien stammt, fängt laut an zu lachen. Das sei so typisch deutsch, sagt er über Hilles Anmerkung. Er selbst habe ein völlig anderes Gefühl für Zeit. Auch in solchen Kleinigkeiten zeigt sich die internationale und kulturelle Vielfalt der Gruppe. Vor dem Mittagessen spricht der mit einer Japanerin verheiratete amerikanische Pastor einer internationalen Gemeinde in Tübingen ein Tischgebet. Nach der Pause geht die Beratung weiter. Dabei scherzen die Delegierten auch gemeinsam. Vor allem aber nimmt jeder den anderen in seiner Beziehung zu Jesus ernst. Von diesem Geist ist etwas zu spüren am Ende dieser Konsultationstagung. Auch wenn es viele Spannungen gebe, sei es doch erstaunlich, wie vieles Evangelikale und Katholiken gemeinsam sagen könnten, stellt Claus Schwambach, Direktor einer lutherischen Fakultät in Südbrasilien, fest. Er verweist auf den gemeinsamen Glauben an Jesus als wahren Gott und wahren Menschen, an die Dreieinigkeit und auf die Glaubensbekenntnisse der frühen Kirche. Evangelikale hätten als konservativer Flügel der evangelischen Christen mehr mit den Katholiken gemein als liberale Protestanten. „Uns eint viel mehr als uns trennt“, sagt er. Doch um dies zu verschriftlichen, müssen die Geistlichen noch einiges besprechen. Vielleicht gelingt es im nächsten Jahr. (pro)
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