Friedrich Hänssler: Journalisten werden auch als Meinungsmacher bezeichnet. Sie blicken auf etwa 25 Jahre im Mediengeschäft zurück. Wie objektiv berichten unsere Medien?
Eva Herman: Das kann man nicht pauschal benennen. Zum Glück treffen wir auch immer wieder auf aufrechte, um Sachlichkeit und Wahrheit bemühte Journalisten, die sich nicht scheuen, unbequeme Wege zu gehen. Doch sie werden im Soge des Main-Stream leider seltener. Inzwischen allerdings beginnt sich Unmut bei den Menschen zu regen, denn diese Praktiken werden durchsichtiger, und manches Lenksystem, das sich allzu sicher wähnt, wird damit unvorsichtiger. Es werden Fehler gemacht. Das registrieren die Menschen durchaus, und sie melden sich zu Wort. Das Internet ist das Meinungsinstrument des Bürgers. Und wer wissen möchte, wie die Gesellschaft wirklich tickt, was die Menschen beschäftigt, was sie freut und auch ärgert, der sollte sich einmal die Mühe machen und die Diskussionsforen besuchen, in denen es um die Arbeit des Staates und der öffentlichen Organe und die Folgen für die Menschen im Land geht. Schauen Sie sich den Fall Nokia in Bochum an, ein Werk, welches einfach geschlossen werden soll, weil man in Rumänien kostengünstiger produzieren kann. Die Blogs und Chats zu diesem Thema quollen über. Die Leute sind stinksauer und tun das auch kund. Eventuell werden ungerechte Systeme einst gekippt werden durch die Macht und den Zusammenschluss der Menschen, welche sich im Internet zusammenfinden, die aufstehen, sich formieren und protestieren. Wenn die Ungerechtigkeiten, die Familien heute zugefügt werden, hier einst thematisiert werden, kann daraus viel Kraft erwachsen. Doch auch die berühmte Kerner-Sendung führte zu wahren Massenaufläufen im Netz, die sich zum Teil bis heute gehalten haben, Vereine zur Verteidigung der Meinungsfreiheit wurden ins Leben gerufen, die dem ZDF schwer zusetzten und mehrere Mahnwachen vor den ZDF-Landesfunkhäusern in Hamburg und Mainz abhielten. Die Menschen zeigen zunehmend Engagement, und sie sind dabei mutig.
Friedrich Hänssler: Es ist eindeutig, dass Sie in ein Wespennest mit Ihren Thesen zur Familie gestochen haben und dass manche – ich verwende jetzt einfach mal das Wort – Emanzen – und auch noch ein paar andere Frauen sich angegriffen, vielleicht ertappt oder gar bloßgestellt fühlten. Wie fühlt man sich denn inmitten eines solchen Wespenschwarms?
Eva Herman: Meine Mutter zitierte in solchen Situationen gerne folgenden Satz aus der Bibel, wo Paulus im Römerbrief sagt: „Wenn Gott für uns ist, wer kann da noch gegen uns sein?“ (Römer 8,31). Also, ich fühle mich sicher, denn ich bemühe mich, auf Gottes Pfaden zu bleiben, gleichgültig, wie wenig das in diese Zeit und zu den Emanzen passt. Vermutlich werden wir in einiger Zeit beschämt zurückblicken auf das, was wir hier angerichtet haben. Und es bleibt zu hoffen, dass wir den entstandenen Schaden überhaupt noch beheben können. Dieser recht harte Weg der letzten zwei Jahre und vor allem auch der vergangenen Monate hat den großen Vorteil mit sich gebracht, dass ich mich nicht mehr abhängig fühle von irgendeines Menschen Meinung, ganz egal, wer vor mir steht. Während ich früher sorgfältig darauf achten musste, dass ich als Tagesschausprecherin nichts äußere, was nicht zu meinem öffentlichen Bild passte, muss ich mich heute mit derartigen Bedenken nicht mehr herumplagen. Ich kann und ich will über die Wahrheit sprechen und schreiben, und keine Macht der Erde wird mich davon abhalten, schon gar keine Emanzen oder Feministinnen. Dazu passt der hübsche Vergleich: „Wer durchs Meer geschwommen ist, scheut die Pfütze nicht.“
Friedrich Hänssler: Sie standen ganz schön unter Beschuss. Haben eigentlich mehr Männer oder mehr Frauen auf Ihnen herumgetrampelt?
Eva Herman: Eindeutig die Frauen. Die Männer sagten häufig eher Sätze wie: „Wusste ich doch schon immer. Habe ich schon lange gesagt, aber auf mich hört ja keiner.“ Je bildungsfreundlicher die Männer waren, desto eher haben sie gesagt: „Gehen Sie Ihren Weg bitte weiter, er ist jetzt recht schwer, aber wir stehen hinter Ihnen.“
Friedrich Hänssler: Hätten Sie sich mehr Unterstützung von traditionell familien- und kinderfreundlichen Institutionen wie die Kirche oder Parteien gewünscht? Wie war deren Reaktion?
Eva Herman: Meine Erfahrung durch das Erlebte ist Folgende: Es gibt in diesem Fall nicht „die Institution Kirche“, sondern letztlich sind es immer einzelne Menschen, die Entscheidungen treffen. Sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche habe ich Gegner und auch Befürworter und zum Teil sogar kraftvolle Unterstützer. Hier zeigt sich, dass jeder Mensch selbst sich auseinandersetzt mit den Problemen der heutigen Zeit und seinem Gewissen entsprechend handelt. Grundsätzlich allerdings ist zu sagen, dass mich die öffentliche Haltung der Kirchen eher besorgt. Denn die Entscheidung von evangelischen wie auch katholischen Kirchenoberen, sich für den Krippenausbau auszusprechen, spricht aus meiner Sicht nicht wirklich für die wahre Unterstützung der Familien.
Friedrich Hänssler: Es wirkt so, dass mancher Aufschrei aus dieser Richtung vielleicht viel mehr ein uneingestandenes Schuldgefühl über ein propagiertes und gut eingeübtes Rollenspiel ist. Wie haben Sie die Angriffe aus dem NDR empfunden?
Eva Herman: Sie haben mir sehr zugesetzt. Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich irgendwann fassungslos gewesen über die schleichende Entwicklung der unterschiedlichsten Verdächtigungen. Die Eskalation, die durch meinen fristlosen Rauswurf entstanden war, war ja lediglich der allerletzte Knall, das Hochgehen einer länger tickenden Bombe. In Wirklichkeit gingen die üblen und argwöhnischen Unterstellungen bereits viel früher los. Schon nach dem Cicero-Artikel begann man zu mutmaßen, dass unsichtbare Mächte über mich gekommen sein mochten. Plötzlich wurden hinter meinem Rücken Gerüchte kolportiert: Ich sei mit christlich fundamentalistischen Kräften im Verbund. Ich sei mit Sekten in Verbindung. Ich sei mit Rechten in Verbindung. Ich war plötzlich ins Visier geraten von sogenannten investigativen Journalisten, also von Enthüllungsjournalisten, die eigentlich meine Kollegen waren und die ich gut kannte, die vor allem auch mich gut kennen mussten. Doch urplötzlich war ich auf die Gegenseite geraten. Ich war jetzt ein auszuspähendes Opfer, das unter Verdacht geraten war. Den menschlichen Fantasien sind in derartigen Situationen anscheinend keine Grenzen gesetzt und jede Ratio scheint vernichtet, aber auch jedes menschliche Mitfühlen. Das ist für den Betroffenen ein höchst unangenehmes Gefühl und ich kann mir seitdem lebhaft vorstellen, wie es Regimekritikern aller Zeiten und aller Systeme ergeht und erging. Besonders fatal ist es, wenn die eigene Arbeit nur einem einzigen Ziel dient: Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Wahrheit zu finden. Das alles war also ein recht anstrengender Entwicklungsprozess. Plötzlich registrierte ich jähes Verstummen, wenn ich die Redaktionsräume betrat. Zunächst beruhigte ich mich mit dem Gedanken, dass ich aufgrund meiner inneren Veränderung sensibler geworden sein mochte. Dann versuchte ich es eine Weile mit der Vogel-Strauß-Politik, frei nach dem Motto: Nur nichts anmerken lassen, dann geht alles so weiter wie bisher. Doch das funktionierte nicht lange. An den Haaren wurden nun Beispiele herangezogen, wie man mich „überführen“ konnte. Als eine österreichische Frauenorganisation mich für einen Vortrag anfragte, mein Büro leider nicht rechtzeitig herausfand, dass dieser Verein verdeckt, aber eng mit der rechtsgerichteten FPÖ zusammenarbeitete, schrieb eine kleine Hamburger Zeitung, dass es jetzt erwiesen sei, dass ich eindeutig nach rechts tendierte. Das Problem war gewesen, dass mein Sekretariat kurz zuvor neu besetzt worden war, die Mitarbeiterin arbeitete erst wenige Tage für mich. Diese Anfrage wurde gestellt, während ich im Urlaub war, und die Kollegin hatte leider nicht ausreichend recherchiert. Natürlich sagte ich diese unselige Veranstaltung sofort ab, distanzierte mich deutlich und gab am selben Tag eine Pressemitteilung heraus, in welcher ich den Irrtum bedauerte. Aber mein Arbeitgeber meinte, nun den Beweis gegen mich in der Hand zu halten. Ich hatte mehrfach klar darauf hingewiesen, dass dieses ein Versehen gewesen war. Doch nun konnte nicht mehr sein, was nicht sein durfte, ich war abgestempelt und die Feministinnen schienen recht zu behalten mit ihren Unterstellungen. Es ist im Rückblick unfassbar für mich, wie wenig Mühe man sich gab, mich und mein Anliegen zu verstehen, im Gegenteil, es schien nur noch den einen Vorsatz zu geben: Man wollte nichts richtig verstehen. Eine Weile lang war ich einfach nur überrascht über diese Verfahrensweise, weil ich das alles niemals für möglich gehalten hätte. Dann wurde es mir zunehmend unangenehm, denn dieser ständige Argwohn, die unsichtbaren Verdächtigungen, die wie dunkle Wände zwischen uns standen, während wir die Sendungen ausarbeiteten, taten mir zunehmend weh. Dann habe ich mich eine Weile noch gerechtfertigt und versucht, mich der Situation irgendwie anzupassen, doch irgendwann dachte ich mir: „Ihr könnt mich jetzt mal alle herzlich gern haben“ und bin einfach meinen Weg weitergegangen.