Europäischer Gerichtshof: „Die türkische Regierung hat versagt“

Die türkische Regierung hat bei ihrer Aufgabe, das Leben und die Freiheit des Journalisten Hrant Dink zu schützen versagt. So begründet der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) die Mitschuld der Regierung am Tod des Journalisten. Der türkische Sicherheitsdienst sei über mögliche Mordpläne informiert gewesen, jedoch untätig geblieben, heißt es in einer Pressemitteilung des EGMR.
Von PRO

Der türkisch-armenische Journalist und Herausgeber der Zeitung "Agos" wurde im Januar 2007 auf offener Straße erschossen. Der EGMR wirft der türkischen Regierung vor, weder nötigen Schutz für Dink geboten, noch nach der Gewalttat effektiv die Hintergründe ermittelt zu haben. Sowohl Polizei als auch Sicherheitsdienst wussten von der ernsthaften Feindseligkeit nationalistischer Türken gegenüber Dink. Ein Informant behauptet sogar, zwei zuständige Beamte der Schutzpolizei vor konkreten Anschlagsplänen gewarnt zu haben. Die Istanbuler Polizei gibt zu dem Vorfall keine Stellungnahme ab, teilte der EGMR mit.

Verurteilt wegen "Herabwürdigung des Türkentums"

Im Oktober 2005 verurteilte ein türkisches Gericht Hrant Dink zu sechs Monaten Bewährungsstrafe wegen "Herabwürdigung des Türkentums".
Grund dafür waren mehrere veröffentlichte Artikel, in denen Dink seine Sicht über die Identität der Türken mit armenischen Wurzeln darlegte. Dink selbst klagte vor dem EGMR und argumentierte, dass dieses Urteil sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletze. Der Gerichtshof gab ihm danach Recht.

Die türkische Regierung soll nun 100 000 Euro Schmerzensgeld an die Witwe des Journalisten zahlen und 5000 Euro an dessen Bruder. Das Urteil der sieben Richter, unter ihnen auch ein Türke, fiel einstimmig. Der türkische Außenminister erklärte, dass die Regierung keinen Widerspruch einlege. "Die Türkei wird notwendige Schritte einleiten, um die Vorgaben des Urteils zu erfüllen und alles unternehmen, um solche Gewalttaten in der Zukunft zu verhindern", so der Außenminister. (pro)

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