Europäische Medienplattform soll Chance für Kirchen sein

Der derzeitige ARD-Chef Ulrich Wilhelm hat eine Vision: eine europäische Medienplattform. Ein Gegenmodell zu YouTube, für Anbieter von Qualitätsinhalten. Auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften sieht er eine Chance in dem Modell.
Von Jonathan Steinert
Ulrich Wilhelm ist seit Anfang 2018 Vorsitzender der ARD

Eine europäische Medienplattform mit Qualitätsinhalten – das ist die Vision von Ulrich Wilhelm, dem Intendanten des Bayerischen Rundfunks und derzeitigen Vorsitzenden der ARD. Diese Idee hat er bereits im vorigen Jahr vorgestellt. Im evangelischen Magazin chrismon hat er seine Pläne noch einmal ausgeführt – und die Chance für die Kirchen betont.

„Europa ist in Gefahr, seine Souveränität im digitalen Raum zu verlieren“, schreibt er. „Umso wichtiger ist es, dass wir in Deutschland und Europa den öffentlichen Raum schützen, denn er ist unerlässlich für die Demokratie.“ Die sozialen Netzwerke amerikanischer Unternehmen wie Facebook oder YouTube unterschieden bei ihren Inhalten nicht zwischen wahren und falschen Informationen. Recherchierte Fakten stünden dort gleichwertig neben Propaganda oder Lügen, meint Wilhelm. Zugespitzte Informationen hätten in den Algorithmen dieser Plattformen bessere Chancen, verbreitet zu werden, als ausgleichende Botschaften. So kämen auch Falschmeldungen schneller und wirkungsvoller durch die Netzwerke als sachliche Nachrichten.

Wilhelm sieht darin eine Gefahr: Der öffentliche Raum könne in verschiedene Teilöffentlichkeiten zerfallen, der gesellschaftliche Zusammenhalt schwinden und die Polarisierung sich verstärken. Demokratie sei jedoch auf offenen und transparenten Austausch angewiesen. Um dies auch im Netz zu sichern, reichten Regulierungen nicht aus. „Wir benötigen zusätzlich eine Infrastruktur, die nicht den Hass verstärkt, sondern den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert, und die unseren europäischen Werten und Regeln folgt“, skizziert Wilhelm seine Idee in chrismon. Diese Plattform könne ein Gegenstück zu YouTube sein, wo „Anbieter von Qualitätsinhalten“ ebensolche einstellen können, kombiniert „mit Elementen sozialer Medien wie Facebook“.

„Beitrag für Toleranz und interreligiösen Austausch“

Bei diesen Anbietern denkt Wilhelm etwa an Verlage, Rundfunksender, wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken oder Universitäten. Und offenbar auch Kirchen. Denn, so schreibt er: „Kirchen und Religionsgemeinschaften hätten die Chance, ein breites Publikum zu erreichen, Einblick in ihre Werte und Sichtweisen zu geben.“ Außerdem würde so eine Plattform „auch einen Beitrag zur Toleranz und zum interreligiösen Austausch bieten“. Beides sei für das friedliche Zusammenleben grundlegend wichtig. „Religionen formulieren auf viele elementare Fragen des Lebens konkrete Antworten. Antworten, mit denen nicht jeder einverstanden sein muss, aber mit denen man sich auseinandersetzen kann, die einen persönlich bereichern, kulturell bilden und sozial prägen können – wenn man sie in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit kennt und besser versteht.“

Das Projekt versteht Wilhelm nicht als eines der ARD oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deshalb sei es auch unabhängig vom Rundfunkbeitrag. Es sei eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Die Initiative dafür müsse daher vonseiten der Politik kommen. Dabei denkt der frühere Sprecher der Bundesregierung an Deutschland und Frankreich, aber auch Spanien und Großbritannien hätte er gern mit an Bord, wie er am Wochenende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte. Europa dürfe sich im Bereich der digitalen Infrastruktur nicht allein von China und den USA abhängig machen. Bisher gebe es aber zu deren Netzwerk- und Suchmaschinen-Angeboten keine Alternative. „Wir überlassen nicht nur unsere wertvollen Inhalte, sondern auch noch unsere Nutzerdaten.“ Wilhelm verspricht sich von einem europäischen Modell, dass es „ein vertrauenswürdiges Umfeld“ schaffe, das nicht polarisiere und Qualitätsinhalte liefere.

Von: Jonathan Steinert

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