Erziehung: Eltern sind zu ängstlich

Die Frage nach der richtigen Erziehung ist ein Dauerthema im Jahr 2011. "Eltern ohne Kompass – wer gibt Kindern heute noch Richtung?" hatte Frank Plasberg seine Sendung am Montag überschrieben. Darin gab es überraschend strenge Ansagen von Promi-Eltern und Experten – vor allem im Bereich der Medienerziehung.
Von PRO

Wie können Eltern, die selbst mit Zeitnot, Überforderung und Unsicherheit kämpfen, ihre Kinder in einer komplexen und mediendominierten Gesellschaft erziehen? Woher bekommen sie Hilfe, um ihre Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten? Frank Plasberg unternahm eine Art Orientierungsflug über den Erziehungsalltag von Eltern heute und damals. Die Gäste gaben einen kurzen Einblick in ihre eigene Erziehung, hielten deren Auswirkungen auf das Erziehungsverhalten aber nicht für wesentlich. Der TV-Moderator und dreifache Vater Oliver Pocher überraschte die Runde mit dem Statement, er freue sich darüber, dass seine Eltern noch verheiratet seien und er kein Scheidungskind sei. Nach diesem kurzen Ausflug in die "gute alte Zeit" holte der Schriftsteller Richard David Precht die Gesprächspartner in die Realität zurück: Die Herausforderungen, vor denen Eltern heute stünden, seien nicht zu vergleichen mit dem Erziehungsalltag vor 20 bis 30 Jahren.

Dass Erziehung schwieriger geworden ist, nicht zuletzt durch die rasante technische Entwicklung, darüber waren sich die Talkgäste bei "Hart aber fair" einig. Originalton von Frank Plasberg: "Da wird einem schwindelig, wenn man sich nur die technischen Neuerungen der letzten elf Jahre anschaut. Das waren Innovationen am Fließband."

Eltern von Unsicherheit und Angst bestimmt

Die Gynäkologin und siebenfache Großmutter Christine Sattler und die Chefredakteurin der Zeitschrift "Eltern", Marie-Luise Lewicki, stimmten darin überein, dass viele Erwachsene heute von Angst bestimmt sind. Dies beginne bei den diagnostischen Möglichkeiten in der Schwangerschaft und setze sich während der Kindheit fort. Aus dieser Angst heraus regeln und kontrollieren Eltern den Alltag der Kinder bis ins Detail. Nach Lewickis Beobachtung sorgen sich Mütter und Väter im 21. Jahrhundert vor allem beherrscht von der Angst vor dem sozialen Abstieg und tun deshalb alles dafür, um ihre Kinder vor einem solchen Schicksal zu bewahren. Dies führe zu Unsicherheit über die richtige Förderung von Kindern und zeige sich in dem hohen Konsum von Erziehungsratgebern. Uneinigkeit herrschte über die Ursachen der elterlichen Verunsicherung: Während Lewicki und der Kinderpsychiater Michael Winterhoff die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 20 Jahre als Hauptursache sahen, diagnostizierte Sattler eine falsche Grundhaltung der Eltern, die ihren Kinder zu wenig zutrauen. Sie plädierte dafür, dass Eltern mehr Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes entwickeln. Oliver Pocher wies darauf hin, dass der Leistungsdruck sowohl auf Eltern als auch auf die Kinder stark gestiegen sei.

Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff beobachtet, dass Eltern oft vom eigenen Alltag überfordert und getrieben seien. Dies mache sie ängstlich im Umgang mit dem Nachwuchs. In seiner Praxis beobachtet er, dass der durchgeplante und stressige Alltag die emotionale Entwicklung der Kinder verhindert. Damit fehle die wichtigste Grundlage für Bildung und gelingende Erziehung.

Handy erst mit 13 Jahren?

Das Fazit der unterhaltsamen Diskussionsrunde: Es gab wenig Neues, dafür aber überraschend strenge Erziehungsregeln der Promi-Eltern. So verriet Precht, dass sein achtjähriger Sohn nicht allein ins Internet darf und der 12-Jährige noch kein Handy bekommt. Dies freute Michael Winterhoff, für den klar ist, dass Kinder überfordert sind, wenn sie ohne Regeln und Begleitung der Eltern ins Internet dürfen. Nur die wenigsten Kinder kämen mit der Faszination und Anziehungskraft der Medien allein zurecht. Laut Chefredakteurin Lewicki sollte die Gesellschaft Eltern stärker unterstützen, statt ihnen immer weitere Schuldzuweisungen zuzuschieben. Richard David Precht sieht Kindergarten und Grundschule in der Pflicht, die Lücken, die manche Eltern nicht füllen können, durch ein Fach "Lebenskunde" zu schließen. Vielleicht kann man dies als eine Antwort auf die Ausgangsfrage, wer Kindern die Richtung vorgebe, stehen lassen. (pro)

Die Situation von Familien beleuchtet auch die aktuelle Ausgabe des Christlichen Medienmagazins pro mit dem Titel "Stress, du hast den Spaß gestohlen". Im pro-Interview fordert der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff die Eltern dazu auf, aus dem Hamsterrad auszusteigen, um wieder Zugang zu ihrer Intuition zu finden. Die kostenlose Zeitschrift kann unter 06441/915151 oder unter info@pro-medienmagazin.de angefordert werden.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen