Erzbischof befürchtet Verschiebung des Wertesystems

Am Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht über Sterbehilfe. Erzbischof Koch warnt vor dem gesellschaftlichen Druck, den das Urteil für die Menschen nach sich ziehen könnte. Auch die Deutsche Evangelische Allianz sieht eine Kippung kritisch.
Von PRO
Erzbischof Koch äußert sich mit Besorgnis zum anstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Sterbehilfe

„Wenn der Suizid als normale Option neben die Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen gestellt wird, befürchte ich eine Verschiebung des Wertesystems.“ Das hat der Berliner Erzbischof Heiner Koch gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag zum Thema Sterbehilfe gesagt. Damit nimmt er Bezug auf das Bundesverfassungsgericht, das Dienstag und Mittwoch über das Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung mündlich verhandelt.

Koch sieht die Gefahr, dass sich Menschen durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gedrängt fühlen könnten, „von solchen Optionen auch Gebrauch zu machen“. Dass der Gesetzgeber die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verboten habe, hält er für richtig. Er macht sich aber gleichzeitig stark für den „Ausbau der palliativen und hospizlichen Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen“.

Der Strafrechtsparagraf 217 bestraft seit Dezember 2015 in Deutschland die auf Wiederholung angelegte Hilfe bei der Selbsttötung mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Dabei sind Gewissensentscheidungen im Einzelfall ausgenommen. Sterbehilfevereine aus Deutschland und der Schweiz, Ärzte und schwer kranke Einzelpersonen haben dagegen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Sie beziehen sich in ihrer Klage auf das Grundgesetz und sehen durch den Paragrafen Rechte wie die Berufsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht verletzt.

Auch Deutsche Evangelische Allianz sieht Kippung des Paragrafen kritisch

„Wenn das Bundesverfassungsgericht das jetzt kippt, dann muss man sagen, dass dies in eine Richtung ginge, die uns Christen überhaupt nicht gefallen kann“, kommentiert der Beauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) in Berlin, Uwe Heimowski, die Verhandlung über den Strafrechtsparagrafen 217 gegenüber pro. Er nannte die Bundestagsdebatte zum Thema „Assistierter Suizid“ im Jahr 2014 eine „Sternstunde des Bundestages“, bei dem es für ihn um die Frage ging: Wie kann man Menschen davor schützen, dass es in einer Gesellschaft geschäftsmäßig und regelmäßig zum Suizid kommen darf?

Den Strafrechtsparagrafen 217 beschreibt Heimowski als „guten Kompromiss, der den assistierten Suizid grundsätzlich verbietet, aber Ausnahmen macht, wenn es um Angehörige geht und diese von Strafe freistellt“. Der Tenor sei gewesen: „Wir schützen das Leben, aber wir sind auch barmherzig mit Angehörigen“. Heimowski ist gegen eine Kriminalisierung der Angehörigen und „dass Menschen Geschäfte damit machen, dass andere getötet werden“.

Eine Kippung des Paragrafen könne vor allem für alte Menschen Druck bedeuten. „Weil ich krank bin, weil ich nicht mehr leistungsfähig bin, weil ich unter Umständen ein Pflegefall werde, belaste ich die Sozialkassen und meine Familie“, könnten Gedanken sein, die Menschen in die Entscheidung trieben, aus dem Leben zu scheiden. „Das kann niemals der Würde des Menschen als Gottes Geschöpf entsprechen“, sagte Heimowski. Die DEA lehne eine Freigabe des assistierten Suizides, wie er in der Schweiz oder Belgien praktiziert werde, eindeutig ab.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat angekündigt, das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten. „Alles andere hieße, dass Beamte – oder am Ende ich als Minister – darüber entscheiden, wer mit staatlicher Unterstützung sterben darf und wer nicht“, sagte er im Februar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Von: Michael Müller/Norbert Schäfer

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