Erstmals befragt evangelikaler Pastor US-Präsidentschaftskandidaten

Erstmals ließen sich zwei zukünftige US-Präsidentschaftskandidaten von einem evangelikalen Pastor auf der Bühne vor einem Millionenpublikum Fragen stellen. Rick Warren, Pastor der Saddleback Church in Lake Forest, Kalifornien, hatte John McCain und Barack Obama gebeten, sich am Samstagabend in seiner Gemeinde vor laufenden Kameras Fragen zu stellen, die besonders Christen interessieren.
Von PRO

Sowohl der republikanische als auch der demokratische Kandidat sind nicht dafür bekannt, besonders gern über ihren Glauben zu sprechen. Doch da Rick Warren, einer der bekanntesten evangelikalen Prediger in den USA, einen guten Draht zu beiden hat, ließen sie sich auf das zweistündige TV-Event ein. Es war der erste gemeinsame Auftritt der beiden seit feststeht, dass sie die Präsidentschaftskandidaten 2008 sein werden. Der Leiter der Gemeinde von Saddleback, der rund 22.000 Mitglieder angehören, hat mit „The Purpose Driven Life“ („Leben mit Vision“) ein Buch geschrieben, das mit einer weltweiten Auflage von 40 Millionen das erfolgreichste Sachbuch in der Geschichte des Buchdrucks ist.

Ein Münzwurf entschied, dass Warren seine Fragen zunächst dem Demokraten Obama stellte. Währenddessen wartete der Republikaner McCain in einem schalldichten Zimmer, damit er Obamas Antworten nicht hören konnte. Anschließend bekam McCain dieselben Fragen gestellt. Live übertrugen amerikanische Fernseh- und Radiosender die Veranstaltung, darunter CNN und FOX News. Zudem waren rund 5.000 Zuhörer anwesend, Gemeindemitglieder und christliche bekannte Persönlichkeiten sowie Geschäftsleute. Auf Youtube sind Mitschnitte der Interviews zu sehen.

Gegner und Befürworter von Abtreibung treffen aufeinander

Warren sagte über den Grund, warum er die beiden eingeladen hat: „Als Pastor glaube ich an die Trennung von Kirche und Staat, aber ich glaube nicht, dass wir das Thema Religion von der Politik trennen können, denn der Glaube von jemandem bestimmt seine Weltsicht, und die wiederum beeinflusst seine Entscheidungen und sagt etwas über seine Art, zu leiten.“ Warren teilte seine Fragen ein in vier Kategorien: Verantwortung, Leiterschaft, Weltsicht und Amerikas Rolle in der Welt. Sie betrafen Werte, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe, Stammzellenforschung, Erziehung, AIDS, das „Böse in der Welt“ und die Zukunft Amerikas.

Der größte Unterschied zwischen den Antworten der beiden Kandidaten wurde in den Ansichten zu Abtreibung und Stammzellenforschung deutlich. Als Warren fragte, „ab wann hat ein Baby das Recht, ein menschliches Wesen genannt zu werden?“, antwortete McCain ohne zu Zögern: „Vom Moment der Empfängnis. Ich werde ein ‚pro Life‘-Präsident sein, und meine Präsidentschaft wird eine ‚pro Life‘-Politik verfolgen.“ Er erntete lang anhaltenden Applaus. Als Obama die Frage gestellt bekam, zögerte er mit seiner Antwort und sagte: „Ich glaube, wenn man das in theologischer oder wissenschaftlicher Hinsicht betrachtet, ist die Frage nicht eindeutig zu beantworten. Das ist jenseits meiner Gehaltsstufe“. Er sei für eine freie Entscheidung der Frau, und so sprach sich Obama für eine fortgesetzte Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus. Beide waren der Meinung, diese Entscheidung solle den einzelnen Staaten überlassen werden. Bei der Frage nach der Ehe sagten bei Kandidaten, sie hielten sie für eine Institution für die Vereinigung von Mann und Frau. Obama fügte jedoch hinzu, es müsse Platz für eingetragene Partnerschaften geboten werden.

„Gibt es das Böse?“

„Gibt es das Böse? Und wie sollen wir damit umgehen?“, fragte Warren weiter. Obama antwortete erneut eher nachdenklich und bezog den Begriff des Bösen auf Probleme wie Armut und Ungerechtigkeit. McCain dachte vor allem an den internationalen Terrorismus und sagte kurz und entschlossen: „Wir müssen das Böse besiegen. Ich werde Osama bin Laden bis an die Tore der Hölle verfolgen.“

Auf die Frage Warrens, was für ihn das Christentum bedeute, antwortete Obama: „Es bedeutet, dass Jesus Christus für meine Sünden gestorben ist und dass ich durch ihn erlöst bin. Das ist für mich eine Quelle der Stärke. Ich weiß, dass ich nicht alleine gehe.“ Es bedeute aber auch, nicht nur Worte zu sprechen, sondern auch zu handeln. Obama erklärte, der „größte moralische Fehler der USA“ sei ihr Versagen, sich um die Armen und Unterprivilegierten zu kümmern.

McCain antwortete auf die Frage: „Es bedeutet, dass ich gerettet bin und mir vergeben wurde.“ Er fügte hinzu: „Unsere jüdisch-christlichen Prinzipien schreiben uns vor, dass wir tun müssen, was wir können, um Menschen in der Welt zu helfen, auf denen eine Last liegt. Ich möchte ihnen sagen, dass selbst die Menschen an den schlimmsten Orten der Welt diese Hoffnung haben können und sie eines Tages so wie wir Freiheit und Demokratie haben können. Wir, liebe Freunde, sind immer noch eines der ungewöhnlichsten Experimente in der Geschichte, und ich habe das Privileg, jeden Tag meines Lebens daran teilzuhaben.“ McCain erzählte davon, wie er als Kriegsgefangener der Vietnamesen einem Wächter begegnete, der ein Kreuz in den Sand malte, um sich als Christ zu erkennen zu geben. Als er davon berichtet, hat er Tränen in den Augen. Aus dem Publikum ruft jemand: „We love you, John.“

Wahlausgang offen

Auf die Frage, was sein größtes moralisches Versagen sei, sagte Obama, er sei als junger Mann zu selbstsüchtig gewesen und habe Drogen genommen. McCain bedauerte, dass seine erste Ehe gescheitert sei. „Nach diesem Abend muss jedem klar sein, dass es nicht leicht wird, McCain zu schlagen“, kommentierte David Gergen, früherer Berater mehrerer Präsidenten, den Abend. „McCain berührt mit seiner Geschichte die Herzen der Menschen, und das ist in einem Präsidentschaftswahlkampf viel wert.“

Rund 40 Prozent der US-Wähler sind sich nach einer aktuellen Umfrage noch unsicher, wen sie am 4. November wählen wollen. In jedem Fall werden die etwa 30 Millionen Evangelikalen in den USA einen wichtigen Teil der Entscheidung tragen – sie machen etwa ein Viertel der US-Wähler aus. 2004 stimmten nach Wählerbefragungen 79 Prozent der evangelikalen Christen für George W. Bush. Nach einer aktuellen CNN-Umfrage unterstützen 67 Prozent von ihnen eher McCain, nur 24 Prozent sind von Obama überzeugt. Die offiziellen Fernsehdebatten zum Schlagabtausch zwischen beiden Kandidaten sind für den 26. September, 7. und 15. Oktober geplant. (PRO)

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