Erste Tat als Präsident: Ein Gebet

Als am Mittwoch der Demokrat Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde, betonten die amerikanischen Medien, dass Biden der „zweite katholische Präsident“ ist. In seiner Amtrittsrede bestätigte Biden das Bild eines Politikers, dem der Glaube sehr wichtig ist. Die Zeremonie nahm teilweise Züge eines Gottesdienstes an.
Von Jörn Schumacher
Der neue US-Präsident Joe Biden zeigte der Welt bei seiner Vereidigung, welche große Rolle der katholische Glaube für ihn spielt

Die so genannte „Anrufung“ („Invocation“) bei der Vereidigung von Joe Biden als neuer US-Präsident sprach der Jesuit und Theologe Leo O’Donovan, der ehemalige Präsident der Georgetown University. Biden und O’Donovan sind seit vielen Jahren befreundet. Der Priester hielt zudem die Beerdigungsmesse für Bidens Sohn Beau, der 2015 gestorben war. Am Schluss der Vereidigung hatte der Methodisten-Pastor Silvester S. Beaman von der Bethel African Methodist Episcopal Church in Wilmington das Wort, ebenfalls ein enger Freund der Familie Biden.

Der Country-Sänger Garth Brooks sang das Lied „Amazing Grace“, eines der bekanntesten christlichen Lieder in Amerika, das auf ein Erweckungserlebnis des ehemaligen Sklavenhändlers John Newton im Jahr 1748 zurückgeht. Auch die amerikanische Sängerin Jennifer Lopez sang neben „This Land Is My Land“ des Folk-Sängers Woody Guthrie die „zweite Hymne“ Amerikas, „America The Beautiful“, das vom Kirchenorganisten Samuel A. Ward komponiert wurde. Darin heißt es: „Amerika, Gott hat seine Gnade über dir ausgeschüttet. Dafür sollten wir ihn lieben. (…) Oh Herr, Danke.“ Die amerikanische Nationalhyme sang jemand, der bereits 2016 beim Super Bowl bewies, dass sie es so kann wie kaum jemand anderes: die amerikanische Sängerin Lady Gaga trug bei ihrem Auftritt vor dem Kapitol eine auffallend große goldfarbene Brosche. Per Twitter klärte sie über die biblische Symbolik der Taube auf: „Eine Taube, die einen Olivenzweig trägt. Mögen wir alle Frieden miteinander schließen.“

Auf dem Arreal vor dem Kapitol waren rund 200.000 kleine Nationalflaggen aufgestellt worden. Sie stehen symbolisch für alle jene Menschen, die normalerweise die Zeremonie besucht hätten. Das Komitee, das für die Amtseinführungen zuständig ist, teilte mit, dass man für eine Flagge als Sponsor auftreten kann, in dem er eine Spende an einen der Partner richte. Zu den Partnern gehören 96 Organisationen, darunter viele Hilfsorganisationen, unter denen die Spendensumme aufgeteilt wird. Die konservative amerikanische Zeitschrift National Review machte darauf aufmerksam, dass unter den Spenden-Empfängern auch die Non-Profit-Organisation „Planned Parenthood“ ist. Diese bietet neben medizinischen Diensten wie Schwangerschaftstests und -beratung auch Schwangerschaftsabbrüche an.

„Eine Nation unter Gott, unteilbar“

In seiner Antrittsrede legte der neue Präsident Biden die Betonung auf Versöhnung, die nun das gespaltene Amerika erreichen könne. Ohne seinen Vorgänger Donald Trump mit Namen zu nennen, sprach er in seiner Rede von einem Neubeginn und einem „Tag der Hoffnung“. Die vier vergangenen Jahre, aber vor allem die letzten zwei Wochen hätten gezeigt, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist. „Demokratie ist zerbrechlich“, so Biden.

In Anklang auf die „Pledge of Allegiance“, die fast jeder Amerikaner auswendig kennt und in öffentlichen Schulen jeden Morgen aufgesagt wird, sagte Biden: „Auf diesem geheiligten Boden, auf dem noch vor wenigen Tagen Gewalt versucht hat, die Grundfesten dieses Kapitols zu erschüttern, kommen wir nun zusammen als eine Nation unter Gott, unteilbar, einen friedlichen Übergang der Macht, wie wir ihn seit über zwei Jahrhunderten vollziehen.“ Biden versicherte – vielleicht in Richtung all der verunsicherten Staaten in der Welt: „Dies ist eine großartige Nation. Und wir sind gute Menschen.“

Der frisch vereidigte US-Präsident betonte mehrmals, dass Amerika derzeit vor schwierigen Aufgaben stehe, auch wegen des Corona-Virus. „Das Virus hat in einem Jahr so viele Tote gefordert wie im der Zweite Weltkrieg. Millionen haben ihre Arbeit verloren. Hunderttausende Geschäfte sind geschlossen. Ein Schrei nach Rassengleichheit hallt seit 400 Jahren durch das Land. Und auch der Planet selbst schreit um sein Leben. Und nun beobachten wir ein Anwachsen des politischen Extremismus, der Bewegung für eine Überlegenheit der Weißen, inländischen Terrorismus, den wir bekämpfen und besiegen müssen.“

Es gebe nur einen Weg, diese Probleme zu meistern: „Einheit.“ Biden sieht im Glauben eine gemeinsame Basis für diese Einheit. „Die Geschichte, der Glaube und der Verstand zeigen uns den Weg in diese Einheit.“ Wie als Gegenentwurf zu Trumps Umgang mit Menschen, Gesetzen und anderen Völkern sagte Biden: „Wir können uns alle als Nachbarn sehen, nicht als Gegner. Wir können einander mit Würde und Respekt behandeln. Wir können aufhören, herumzuschreien und die Temperatur wieder etwas senken. (…) Lasst uns wieder zuhören. Hört einander zu.“ Biden fügte hinzu: „Ich verspreche Euch: Ich werde ein Präsident von allen Amerikanern sein.“

Schließlich zitierte der Präsident den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354-430): „Augustinus, ein Heiliger meiner Kirche, sagte vor vielen Jahrhunderten, dass das Volk eine Menge sei, die durch die gemeinsamen Objekte seiner Liebe definiert werde.“ Diese Objekte der Liebe seien neben Sicherheit, Freiheit und Würde „ja, auch Wahrheit“. Biden fügte hinzu: „Die letzten Wochen und Monate stellten in dieser Hinsicht eine schmerzhafte Lektion dar. Es gibt Wahrheit, und es gibt Lügen. Lügen für Macht und Profit.“

Biden rief zu einem gemeinsamen Gebet auf: „Meine erste Tat als Präsident ist, dass ich Sie alle einladen möchte, einen Moment still zu sein und ein Gebet zu sprechen und all jenen zu gedenken, die wir in der Pandemie bisher verloren haben. All jenen 400.000 Mitbürgern – Mütter, Vater, Ehemänner, Ehefrauen, Söhne und Töchter, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen.“

Biden ermutigte, nun nach vorne zu schauen und rief dazu auf: „Lasst uns dieser Nation unsere eigene Arbeit und unsere Gebete angedeihen, um ihre Geschichte weiterzuschreiben.“ Er selbst wolle einen geheiligten Eid ablegen, so Biden, und zwar „vor Gott und vor allen, denen ich mein Wort gebe“: die Nation und seine Demokratie zu schützen.

Von: Jörn Schumacher

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