Erneut Kritik an einem „Christival“-Seminar

Erneut gibt es Kritik an einem Seminar des christlichen Jugendkongresses "Christival", der zwischen dem 30. April und dem 4. Mai in Bremen stattfindet. Die Gesellschaft für Sexual- und Familienplanung "Pro Familia" kritisierte ein Seminar zum Thema Abtreibung, das von einem Referenten des Vereins "Die Birke" abgehalten wird. Diese Initiative setzt sich für den Schutz des ungeborenen Lebens ein.
Von PRO

Wie die Berliner „Tageszeitung“ (taz) am Mittwoch meldete, warnte „Pro Familia“ vor dem Seminar mit dem Titel „Sex ist Gottes Idee – Abtreibung auch?“, weil dort vermittelt werde, dass eine Abtreibung schlimmer sei als das Leid der schwangeren Frau.

„Jesus bewegt“ – auch ungewollt Schwangere?

Die Veranstalter des „Christival“ laden Jugendliche zwischen 14 und 26 Jahren nach eigener Aussage ein, in Bremen Anregungen zu erhalten und „neue Schritte im Glauben“ zu machen. Das Motto des Kongresses, der zum fünften Mal von verschiedenen Christen aus Deutschland organisiert wird, lautet „Jesus bewegt“. Dem gemeinnützigen Verein „Christival e.V.“ gehören über 100 Mitglieder aus evangelischer Kirche, christlichen Werken, Politik, Verbänden und Unternehmen an.

Auf dem Kongress, für den Familienministerin Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft übernommen hat, werden etwa 225 Seminare, Workshops und Foren zu unterschiedlichen Themen angeboten. In der Kritik steht nun Seminar Nr. 642: „Ungewollt schwanger – was nun? Oft kommt das Kind zu einem ungünstigen Zeitpunkt, es gibt finanzielle Schwierigkeiten, Partnerschaftsprobleme etc. Kann eine Abtreibung meine Probleme lösen?“ Der Referent ist Markus Arnold von der Heidelberger Schwangerschaftskonfliktberatung „Die Birke e.V.“.

Der Verein setzt sich dafür ein, Frauen Alternativen zur Abtreibung aufzuzeigen und betont die Notwendigkeit des Schutzes ungeborenen Lebens. In der Kritik steht insbesondere die Haltung des Vereins zu einer Abtreibung, die Frauen vornehmen lassen, die Opfer einer Vergewaltigung wurden. Auf der Webseite des Vereins heißt es dazu: „Nach ca. 30 Jahren Schwangerschaftskonfliktberatung bleibt klar festzuhalten: Nahmen Frauen anschließend eine Abtreibung vor, fügten sie dem ersten lebenslangen Trauma ein zweites lebenslanges Trauma hinzu; jene Frauen, die Beistand erhalten und ihr Kind austragen (also die konstruktive Krisenbewältigung wählten), leiden nachweislich deutlich weniger unter der Vergewaltigung – und sie sind weit davon entfernt, ihr Kind (etwa) zu hassen.“ Der Verein betont zudem, dass eine mögliche Abtreibung für die Frau eine Gefahr darstelle, die Annahme des Kindes hingegen „eine Chance – für Kind UND Eltern“ sei.

Pro Familia: „Bedrohliche und problematische Seminare“ beim Christival

Die Geschäftsführerin von „Pro Familia“ Bremen, Annegret Siebe, verurteilte eine „gedrehte Wertung“, die hier stattfinde. Die „Birke“ vertrete die Ansicht, dass „das keimende Leben mehr wert ist als das Leben einer Frau“. Wie die „taz“ berichtet, findet es Siebe „bedrohlich“, wenn diese Ansicht auf einer Tagung vertreten wird, auf der mit 20.000 jugendlichen Teilnehmern gerechnet wird.

Zudem ist Siebe der Meinung, dass bei dem Seminar keine offene Auseinandersetzung möglich sei, sondern von vornherein klar sei, dass Schwangerschaftsabbrüche falsch sind. Dies verstoße gegen das Menschenrecht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, so Siebe.

Problematisch seien auch die „Christival“-Seminare, in denen das Verbot von Sexualität vor der Ehe als Dogma verbreitet werde. „Wer dagegen verstößt – und das tun Jugendliche – bekommt Schuldgefühle“, kritisiert Siebe.

Erst vor drei Wochen hatte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, den Christival-Verantwortlichen vorgeworfen, „gefährliche Psychokurse“ anzubieten. Seine Kritik zielte auf ein Seminar mit dem Titel „Homosexualität verstehen – Chance zur Veränderung“. Die beiden Referenten vom „Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft“, einem Arbeitsbereich der „Offensive Junger Christen“(OJC), zogen ihr Seminar daraufhin zurück. Die OJC erklärte, die Kritik Becks sei unberechtigt, doch wolle man verhindern, dass das Christival „mit Kritik überhäuft wird, bevor es überhaupt startet“.

Beck hält jedoch an seiner Kritik an der Haltung des OJC zur Homosexualität fest. Der Grünen-Politiker fordert Familienministerin von der Leyen weiter dazu auf, die Schirmherrschaft des Festivals abzugeben. Die Bundesregierung bat er, vor Angeboten zu warnen, die gegen homosexuelle Empfindungen „reparative Therapien“ anböten und damit Homosexualität auf eine Stufe mit Alkoholismus stellten.

Volker Beck kämpft gegen christliche Organisationen

Am 24. Januar stellte Beck gemeinsam mit verschiedenen Mitgliedern der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ wie Renate Künast und Fritz Kuhn eine Kleine Anfrage an den Deutschen Bundestag. Darin verurteilen sie erneut „antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten“. Die Unterzeichner fragen unter anderem: „Sind der Familienministerin die Publikationen des Vorsitzenden von ‚Christival‘, Roland Werner, bekannt, in denen er Thesen der Ex-Gay-Bewegung vertritt, einschließlich der Behauptung, homosexuelle Gefühle seien Symptome einer tieferliegenden Identitätskrise, und wie beurteilt die Ministerin diese Aussagen?“ Sie verweisen dabei auf Bücher und Texte Werners wie etwa „Homosexualität und Lebenserneuerung“, „Christ und homosexuell?“ oder „Homosexualität – ein Schicksal? Innere Heilung, Lebensbilder, Thesen zur Seelsorge, das Zeugnis der Bibel“. Die Grünen-Politiker verlangten zudem eine Stellungnahme des Ministeriums zu den Aktivitäten anderer christlicher Organisationen wie „Campus für Christus“, „Wüstenstrom“, „Freundschaftsnetzwerk.de“, „Living Waters Berlin“ oder „Weißes Kreuz“.

Das „Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft“ wies Becks Kritik mit dem Hinweis zurück, dass es lediglich um Menschen gehe, „die ihre homosexuellen Impulse als unvereinbar mit ihren Wünschen, Überzeugungen und Lebenszielen erfahren“.

Abgesagtes Seminar auch in Graz

Auch im österreichischen Graz war im vergangenen Herbst auf dem Kongress „Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ eine Veranstaltung von „Wüstenstrom“ in die Kritik geraten. Nach Protesten, die vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) mitinitiiert wurden, erklärte der Schirmherr des Grazer Kongresses, der steirische Landeshauptmann Franz Voves, dass er seine Unterstützung zurückziehen werde, wenn die kritisierten Gruppen nicht von der Veranstaltung ausgeschlossen würden. Daraufhin sagte „Wüstenstrom“ seine Teilnahme an dem Kongress ab.

Der Sprecher des Christival, Stephan Volke, versicherte gegenüber Medienmagazin pro indes: „Beim Thema Homosexualität hat die Kritik dazu geführt, dass die Dozenten das Seminar abgesagt haben. Wir von Christival haben das akzeptiert. Wenn ‚Pro Familia‘ nun aber eine Kampagne gegen ein weiteres Seminar fährt, wird das nicht dazu führen, dass das Seminar über Abtreibung abgesagt wird.“ (PRO)

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