Erkenntnisse aus der „Lebensmitte“

Bettina Wulff, die ehemalige Ehefrau von Bundespräsident a. D. Christian Wulff, und Pfarrer Heino Masemann reflektieren ihr Leben gemeinsam in einem Buch. Sie sind dabei sehr offen. Als Ratgeber ist es jedoch wenig geeignet. Eine Rezension von Norbert Schäfer
Von PRO
Heino Masemann ist evangelisch-lutherischer Theologe und Pfarrer, Bettina Wulff war die Ehefrau des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff.

In ihrem Buch „Anders als gedacht: Wie ich lerne, was wirklich zählt“ denken Bettina Wulff und Heino Masemann aus ihrer jeweiligen „Lebensmitte“ heraus über die eigenen Lebenswege nach. Wulff ist Jahrgang 1973, Masemann wurde 1961 geboren.

Bettina Wulff, die ehemalige Ehefrau des früheren deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, offenbart in 17 der insgesamt 29 Kapitel ihres mittlerweile zweiten Buches sehr persönliche Dinge ihrer Biografie. Sie schildert, wie sie sich in bestimmten Lebenssituationen gefühlt hat und wie sie zu Entscheidungen gekommen ist.

Zwölf Kapitel des Buches mit 190 Seiten sind aus der Feder von Heino Masemann, einem langjährigen Freund der Autorin. Masemann ist evangelisch-lutherischer Pfarrer. Er hat ebenfalls ein bewegtes Leben, wenn auch nicht so glamourös wie das der einstigen First Lady.

„Gott benutzt Gefühle“

In dem Buch geht es ums Innehalten. Ums Prüfen, Sortieren und das Neuausrichten. Unter diesem Gesichtspunkt ist das ganze Buch zu sehen. Der Rückblick auf die eigene Erziehung, die Elternhäuser, gescheiterte Beziehungen, geplatzte Träume, Verluste geliebter Menschen, findet dabei immer wieder auch unter Bezugnahme auf die Bibel und die Kirche statt.

Wulff kommt beispielsweise zu der Erkenntnis: „In manchen Momenten des Lebens, vor allem in den sehr traurigen, schmerzhaften Phasen, in denen ich mich innerlich zerrissen fühlte, wunderte ich mich über mich selbst: über dieses tiefe Gefühl des Getragenseins durch Gott. Fast alles in meinem Leben kann auseinanderbrechen, zerstört werden. Aber die Gewissheit, dass mein Glaube mich immer trägt, ist unverrückbar.“

Wulff ist „zutiefst überzeugt“, dass Gott manchmal Gefühle benutzt, um Menschen in eine neue Richtung zu führen. Gefühlsmenschen mögen dem zustimmen. „Manchmal klingelt das innere Telefon – und Gott ruft bei mir an“, schreibt Wulff und gibt dann Suchenden Ratschläge mit wie: „Ruhe bewahren. Keine Panik. Lass dir Zeit, versuche deinen Gefühlen auf die Spur zu kommen – und kläre, was sie dir sagen wollen.“ Oder: „Bleib dir treu. Bleib du selbst. Lass dich nicht von anderen manipulieren, benutzen oder vor den Karren spannen. Es ist dein Leben.“ Derlei Ratschläge finden sich jedoch auch in chinesischen Glückskeksen.

„Dankbarkeit ist ‚Lebenskapital‘“

Masemann schreibt: „Die Erfahrungen aus der ersten Hälfte meines Lebens sind ein Reservoir, aus dem ich für die noch kommenden Jahre schöpfen kann.“ Masemann ist beim Rückblick auf sein Leben, trotz der gescheiterten Ehe und dem frühen Tod eines Kindes, vor allem erfüllt von Dankbarkeit. Er schreibt: „Dankbarkeit ist das ‚Lebenskapital‘, das sich in meinem Leben angesammelt hat.“

Wulff schreibt nach mehreren gescheiterten Beziehungen im Rückblich offen über ihre Ehe und die Zeit mit Christian Wulff: „Manche haben mir vorgeworfen, dass ich meinen damaligen Mann alleingelassen habe – im schlimmsten Moment, als er als Bundespräsident seinen Rücktritt erklärt hat. Ich wollte damals niemandem zeigen, wie es mir wirklich geht.“ Und über ihre Zeit an der Seite des Bundespräsidenten: „Ich habe nach außen die Kühle, die Abgeklärte gespielt und so getan, als hätte ich alles im Griff – dabei war ich innerlich total zerrissen, traurig, wütend und verzweifelt.“ Eine Zeit lang sei ihr Leben wie ein Märchen gewesen, dann habe es sich zum Drama entwickelt.

Bettina Wulff und Heino Masemann: „Anders als gedacht: Wie ich lerne, was wirklich zählt“, bene! Verlag, 192 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783963401008 Foto: bene! Verlag
Bettina Wulff und Heino Masemann: „Anders als gedacht: Wie ich lerne, was wirklich zählt“, bene! Verlag, 192 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783963401008

Das Buch erweckt in Passagen den Eindruck, als wollten sich zwei Menschen rechtfertigen. Masemann beispielsweise für die Erziehung seiner Kinder, für die er offenbar „in bestimmten christlichen Kreisen“ auf Unverständnis stößt. Im Buch erklärt der Pfarrer, dass er seinen Kindern das Vaterunser nicht beigebracht hat, und auch nicht auf den Besuch des Gottesdienstes bestand, weil er der Überzeugung ist, dass seine Kinder „von sich aus das Beten lernen und im Glauben heimisch werden, wenn es für sie an der Zeit ist“.

Persönlicher Aufrüttler

Masemanns Ehe wurde nach mehr als 25 Jahren geschieden. Das ist betrüblich. Wenn der Pfarrer die biblische Trennungsgeschichte von Abraham und dessen Neffen Lot dazu als ein gelungenes Beispiel für eine faire Trennung in krisenhafter Zeit heranzieht, erstaunt das. Waren Abraham und Lot verheiratet? Kaum. Auch der Hinweis darauf, Jesus habe ausgezeichnet, dass er dachte, sagte und lebte, was sich zu seiner Zeit nicht gehörte, sondern das tat, wovon er überzeugt war, ist hier fehl am Platz. Jesus hat nicht immer nach den gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner Zeit gelebt. Damit mag Masemann recht haben. Aber hilft das bei der Reflektion der eigenen Biografie? Jesu Handeln lässt sich nicht losgelöst von seiner heilsgeschichtlichen Mission deuten, er war nicht einfach ein Revoluzzer.

In dem Buch legen Wulff und Masemann sehr persönliche Dinge offen. Das ist interessant und mutig. Das Buch kann Menschen in der Mitte des eigenen Lebens Wege zeigen, die eigene Biografie einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. Auch wem Lebenswünsche bislang versagt blieben oder wer im Leben mehr Krisen als Freuden meistern musste, kann in dem Buch einen Aufrüttler finden. Auch den Mut, den Kopf trotz unterschiedlicher Lebens- und Beziehungskrisen nicht hängen zu lassen. Wer jedoch in dem Buch einen biblisch begründeten Ratgeber für ein gelingendes Leben nebst krisentauglicher Ehe erwartet, sucht dies vergebens.

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