Erika Kirk vergibt Mörder ihres Ehemannes: Dieses Zeugnis wird nachhallen

Die Trauerfeier für den Aktivisten Charlie Kirk geriet zu einer Mischung aus Wahlkampf und Gottesdienst. Worte der Versöhnung fehlten weitgehend – wäre da nicht Erika Kirk. Sie zeigte, wie nötig Vergebung ist. Und wie weh sie tun kann.
Von Nicolai Franz


Allein, dass Erika Kirk am Sonntag auf der Bühne eines Stadions stand und zu einem Millionenpublikum über ihren ermordeten Mann redete, muss schwer genug für die trauernde Witwe gewesen sein. Sie erzählte, dass ihr Mann samstagabends kleine Botschaften schickte, in denen stand, dass er sie liebte, und er sie fragte, wie er ihr ein besserer Ehemann sein könne. Wie sie sich freute, wenn er nach langen Dienstreisen nach Hause kam. Wie gut sie es fand, dass nach Charlies Tod keine Unruhen ausbrachen.

Doch der schwerste Satz sollte erst noch folgen. Je mehr sie sich ihm nähert, desto schwerer wird es für sie. Erika Kirk spricht über junge Männer, die Charly erreichen wollte, damit sie einen besseren Lebensweg einschlagen. „Er wollte ihnen diesen Lebensweg zeigen…“, hebt sie an, „… mein Ehemann Charlie…“. Sie schließt die Augen. „Er wollte junge Männer retten. Genau solche Männer wie den, der ihm das Leben nahm.“ Stille. Leichter Applaus. Wieder Stille. Die junge Frau atmet hörbar aus, schaut unter sich. Schmerzverzerrt schaut sie nach oben, sagt leise, als ob sie alleine sei: „Dieser junge Mann…“ Sie atmet wieder hörbar aus. „Dieser junge Mann… Am Kreuz hat unser Retter gesagt: ‚Vater, vergib ihnen, was sie tun, denn sie wissen nicht, was sie tun.‘ Dieser Mann…“ Sie ringt um Luft, die Stimme bricht, „dieser junge Mann…“, sie schaut nach oben, als suche sie Halt:  „Ich vergebe ihm.“ 

Sie kneift die Augen zusammen, presst die Lippen aufeinander, schaut nach unten, eine Mischung aus Schmerz, Abscheu und Scham. Tausende stehen auf, applaudieren, trocknen ihre Tränen.

Sie fängt sich wieder. „Ich vergebe ihm, weil es das ist, was Christus getan hat und das, was Charlie tun würde. Die Antwort auf Hass ist nicht Hass.“, sagt sie. „Die Antwort, die wir vom Evangelium her kennen, ist Liebe und immer Liebe. Liebe für unsere Feinde und Liebe für die, die uns verfolgen.“

Nach ihrer Rede läuft „It Is Well with My Soul“

Es sind Sätze, die wirkmächtig nachhallen, weil sie so wehtun. 

Am meisten der Frau, die sie ausspricht. Der Mutter zweier Kinder, die sich gegen jeden natürlichen Instinkt dazu zwingen muss, dem Hass gegen ihren Mann buchstäblich die Botschaft vom Kreuz entgegenzusetzen. Kein Wort der Spaltung. Kein Wort der Verurteilung. Dafür Worte der Liebe. Aufrufe zur Umkehr. Und gegen die Spaltung. Die Welt brauche „Turning Point USA“, die Organisation, die ihr Mann gegründet hatte. „Sie braucht etwas, das Menschen aus der Hölle dieser Welt und der nächsten hinausführt. Diese Welt braucht junge Menschen, die ausgerichtet sind auf Wahrheit und Schönheit.“

Als Erika Kirk fertig ist, wird „It is well with my soul“ eingespielt, auf Deutsch „Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt“. Horatio Spafford hatte es 1776 gedichtet, nachdem seine Frau Anne und seine vier Töchter bei einem Schiffsunglück gestorben waren.

Donald Trump betritt die Bühne, umarmt die Witwe. Seine vorbereitete Rede liest er vom Teleprompter ab. Kirk sei ein „Missionar mit edlem Geist und großem, großem Ziel“ gewesen. „Er hasste seine Gegner nicht. Er wollte das Beste für sie.“ An dieser Stelle schaut der Präsident vom Teleprompter weg, eine Garantie dafür, dass nun der authentische Trump spricht. „An dem Punkt war ich mir uneinig mit Charlie. Ich hasse meine Gegner. Und ich will nicht das Beste für sie. Tut mir leid. Tut mir leid, Erika.“ Die Menge johlt. Trump feixt, vielleicht könne Erika ihn ja noch vom Gegenteil überzeugen.

Liebe statt Hass, Hass statt Liebe – diese krassen Gegensätze illustrieren die Trauerfeier für Charly Kirk wohl am besten. Denn sie war eine Show voller Widersprüche. Worship-Songs wechselten sich mit Schlachtrufen ab, ernste Gebete mit Beleidigungen des Gegners, Rufe zur Buße mit selbstherrlichem Hochmut.

Wenn die Bibel zurechtgebogen wird

Bevor Erika Kirk zu Liebe und Versöhnung aufrief, versuchte ein Großteil ihrer männlichen Vorredner, die Spaltung Amerikas zu zementieren: Wir gegen die, Gut gegen Böse, Licht gegen Dunkelheit.

Trump-Einflüsterer Stephen Miller rief zum Kampf auf – mit einer derart martialischen Rhetorik, dass es einen erschauern konnte:. „Das Licht wird das Dunkel vertreiben. Wir werden die Kräfte der Verkommenheit und des Bösen besiegen. (…) Sie können sich nicht vorstellen, welche Armee sie in uns allen haben aufstehen lassen. Denn wir stehen für das, was gut ist.“

Noch so ein Widerspruch: Tucker Carlson, der wegen Lügen geschasste Ex-Fox-News-Moderator, der jetzt als einsamer Wolf sein Geld verdient mit Verschwörungstheorien, russischer Propaganda und generell Kritik an allem, was zur „Elite“ gehört, hielt eine astrein evangelistische Rede. „Die einzige echte Lösung ist Jesus“, so der Journalist, das habe Charlie verstanden. Politik sei nicht das Wichtigste, sondern die Beziehung zu Jesus. Der Glaube an Jesus beginne immer mit Umkehr: „Du musst dich verändern.“ Wunderbare Worte, von denen man seinem Urheber nur wünschen kann, dass er sie selbst beherzigt.

Der konservative Youtuber Benny Johnson bog gar die Bibel zurecht, um die Menschen in Freund und Feind einzuteilen. Er zitierte Römer 13, wonach der Staat das Schwert trage, „zum Schutz guter Menschen und zum Schrecken böser Menschen“. In Wahrheit schreibt Paulus dort über die Obrigkeit: „Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.“ Nicht die Zugehörigkeit zur Gruppe vermeintlich „guter Menschen“ (den Republikanern?) zählt also, sondern die Frage, ob jemand Böses tut oder nicht.

Andere Redner zitierten die „Waffenrüstung Gottes“, mit der nun das „Böse“ im „geistlichen Kampf“ bekämpft werden müsse. Andere wie Marco Rubio beschränkten sich auf Appelle, Jesus nachzufolgen. Worte der Versöhnung fielen außer von Erika Kirk praktisch nicht.

Eine Show voller Widersprüche

Prominente Demokraten nahmen an der Gedenkfeier nicht teil, die ganze Show erinnerte am ehesten an eine MAGA-Rally. Nicht einmal auf Lee Greenwood und seinem zur Trump-Hymne erkorenen „God Bless the USA“ verzichteten die Veranstalter. 

An Charlie Kirk scheiden sich nach wie vor die Geister. An ihm gab es viel zu kritisieren, vor allem an seinem Ton. Er stand aber auch für viel Positives, wie selbst politische Gegner vom sozialistischen Bernie Sanders bis zum konservativen Arnold Schwarzenegger anerkannten. Es ist zu hoffen, dass von dieser historischen Gedenkveranstaltung nicht die wutschäumenden Worte der Spalter und Hetzer hängen bleiben. 

Sondern das bewegende Zeugnis von Erika Kirk und ihre Botschaft, dass die Antwort auf Hass Liebe sein muss. Selbst wenn es unendlich weh tut.

Einen ersten Adressaten hat sie schon erreicht. Der zuerst gecancelte und nun zurückgekehrte Late-Night-Gastgeber Jimmy Kimmel sagte bei seiner TV-Rückkehr: „Wenn du an die Lehren Jesu glaubst, wie ich das tue, dann ist das ein Beispiel, dem wir folgen sollten. Ein selbstloser Akt der Gnade, Vergebung einer trauernden Witwe. Es hat mich so tief berührt.“

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