„Erdrutschartige Abbrüche”: Menschen verlieren Bezug zur Kirche

Die evangelische Kirche wird ihre Verankerung in der breiten Gesellschaft verlieren. Das hat der Religionssoziologe Detlef Pollack im Interview mit der Plattform evangelisch.de erklärt. Gerade bei jungen Menschen stellt er „erdrutschartige Abbrüche” in ihrem Verhältnis zu Glaubensinstitutionen fest.

Von PRO

Seit der Wiedervereinigung sei es im Westen wie im Osten Deutschlands fast normal geworden, nicht zur Kirche zu gehören. Vor allem junge Menschen beteten immer weniger und gingen seltener in den Gottesdienst. „Sie haben weniger Vertrauen in diese Institution. Ihre Bereitschaft, die eigenen Kinder religiös zu erziehen, ist ebenfalls geringer geworden”, sagte Pollack im Öffnet externen Link in neuem Fensterevangelisch.de-Interview. Nach wie vor gebe es aber Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern. Im Westen sei die Haltung der Bevölkerung zur Kirche „wohlwollend-distanziert”. Sie gehöre zwar dazu, die Menschen schätzten es aber nicht, wenn die Kirche autoritär und staatsnah auftrete. Im Osten habe „die religionsfeindliche Politik der SED gründliche Arbeit geleistet”. Viele Bürger hätten dort überhaupt kein Verhältnis mehr zur Religion und sie hätten im Vergleich auch weniger Verständnis für religiös eingestellte Menschen. „Mich macht das traurig – auch weil ich sehe, dass die Kirchen von sich aus nicht allzu viel falsch gemacht haben”, erklärte Pollack.

Auf die Frage, wie Christen sich verhalten sollten, um diesem Trend entgegenzuwirken, antwortete der Soziologe: „Entscheidend ist, dass die Kirche eine solide theologische und geistliche Arbeit macht. Wichtig ist es auch, in der Fläche gut präsent zu bleiben. Aber die breite Angebotspalette aufrecht erhalten zu wollen, wäre verheerend. Das ist nicht zu leisten. Die Kirche sollte behutsam ihr Profil schärfen und in ihrer Arbeit Schwerpunkte setzen.” Laut seiner Untersuchungen spiele sozialer Kontakt eine entscheidende Rolle. Oft sei es ein glaubensstarker Seelsorger, der auch Kirchenferne beeindrucke und inspiriere. Andere Menschen träten in die Kirche ein, wenn sie älter würden. „Am wahrscheinlichsten sind Wiedereintritte, wenn jemand als Kind und Jugendlicher bereits religiös erzogen wurde”, sagte Pollack. Generell gelte: „Je mehr Kinder, desto kirchennäher!” Denn mit der Zahl der Kinder nehme auch die Zahl der Anlässe, sich in der Kirche zu versammeln, zu.

Detlef Pollack ist Professor für Religionssoziologie in Münster. Er forscht zum religiösen Wandel in Deutschland und Europa. (pro)

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