„Er war einfach Pastor. Er hat im Kleinen gewirkt und den Menschen geholfen.“

Aus Interviews mit Kindern von Joachim Gauck spricht Bewunderung. Dabei hatten die vier Kinder Gaucks zu DDR-Zeiten viele Schwierigkeiten zu durchstehen, weil ihr Vater Pastor war. Gaucks Tochter Gesine Lange und sein ältester Sohn Christian berichten in Interviews, wie das Leben damals in einem Pfarrhaus war.
Von PRO
Der 72-jährige Joachim Gauck, der am 18. März mit größter Wahrscheinlichkeit zum neuen Bundespräsidenten gewählt wird, hat mit seiner Frau Hansi vier Kinder: Christian, Martin, Gesine und Katharina. Seine Tochter Gesine Lange reiste kurz vor der Wende aus der DDR in den Westen aus. Sie hat einen vier Jahre alten Sohn und lebt in Bremen.

Ihr Vater war Pastor im mecklenburgischen Lüssow, die Familie wohnte in einem Pfarrhaus ohne fließendes Wasser, geheizt wurde mit Kohle, es gab ein Plumpsklo, berichtet das "Hamburger Abendblatt", das Gaucks Tochter interviewt hat. Als sich ihr Vater 1971 entschied, im Rostocker Plattenbau-Viertel Evershagen eine Gemeinde aufzubauen, sei die Enttäuschung in der Familie groß gewesen. Seine Kinder hätten ihn nur selten gesehen. "Als Pastor ist man immer auch mit seiner Gemeinde verheiratet. Als Kind hinterfragt man das nicht so", sagt Lange. Sie erlebte ihren Vater im Konfirmandenunterricht und sah, dass die Kirche sonntags immer voll war. "Das, was mir als Vater an ihm gefehlt hat, hat der Pastor in ihm mehr als aufgewogen", so Lange.

In der Schule hatten die Pfarrerskinder unter den Repressionen des Regimes zu leiden. Die Lehrerin sagte, dass Kosmonauten ins Weltall geflogen seien, und dabei keinen lieben Gott gesehen hätten. Sie habe Gesine gefragt: "Wo ist denn nun dein lieber Gott?" Doch ihr Vater habe sie vorbereitet, erzählt sie. Sie antwortete: "Wo ist denn die Liebe? Können Sie mir mal zeigen, wo die ist?" Gesine Gauck war nicht bei den Pionieren und der FDJ. Vom Schulfasching wurde sie ausgeschlossen. Daraufhin habe sich ihr Vater bei den Lehrern beschwert. "Es war anstrengend, anders zu sein", sagt Lange heute. "Aber wir wussten, dass wir das Richtige tun."

Wegen des Glaubens kein Abitur erlaubt

Mitte der 80er-Jahre sei ihr Vater schon weit über Rostock hinaus bekannt gewesen. Er hielt regimekritische Predigten, organisierte Kirchentage, gab Jugendlichen Tipps, was sie tun sollten, wenn die Stasi sie anwerben wollte und nutzte seine Kontakte zu West-Politikern, die inhaftierten Kirchenmitgliedern zur Ausreise verhalfen. Die Kinder von Joachim Gauck durften in der DDR kein Abitur machen. Christian und Martin wollten deshalb in den Westen ausreisen. Kurz vor Weihnachten des Jahres 1987 wurde der Ausreiseantrag von Christian und Martin genehmigt. Mit ihnen gingen deren Frauen und drei Enkelkinder. Gesine blieb, weil sie das ihrer Familie nicht antun konnte. Die Familie habe damals nicht gewusst, ob sie sich wiedersehen würden. "Es ist wie ein Tod", schrieb Lange damals in ihr Tagebuch.

"Ihr Halt war die Kirche, dort hatte sie ihre Freiheit", berichtet das "Abendblatt". "Sie sang im Chor, machte eine Ausbildung zur Kinderdiakonin." Als eine Gruppe aus der Bremer Partnergemeinde zu Besuch kam, verliebte sie sich in einen jungen Mann aus Bremen. Mit ihm reist sie dann doch in den Westen. Im Mai 1989 heiratete sie im Rostocker Standesamt. Gauck selbst traute seine Tochter im August 1989 in Bremen kirchlich – und kehrte danach in die DDR zurück. Lange arbeitete dann in einem kirchlichen Kindergarten in Bremen.

Ihr Vater schloss sich der Bürgerbewegung "Neues Forum" an, sprach vor Tausenden Menschen, so die Zeitung. Dass Kritiker ihm jetzt vorwerfen, er sei gar kein Bürgerrechtler gewesen, findet Gesine Lange ungerecht. Ihr Vater habe sich selbst nicht als Bürgerrechtler bezeichnet. Aber trotzdem habe er sich für die Rechte der Bürger eingesetzt. "Er war einfach Pastor. Er hat im Kleinen gewirkt und den Menschen geholfen."

"Seine Predigten waren von Ermutigung geprägt"

Auch Gaucks Sohn Christian sagt zum Vorwurf, sein Vater sei kein Bürgerrechtler gewesen: "Da kann ich nur lachen. Er hat sich nicht gegen alles gestellt, aber er hat als Pastor sehr konkret geholfen. Damit war er für uns ein Bürgerrechtler im wahrsten Sinne des Wortes." Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Christian Gauck: "Seine Predigten waren von Ermutigung geprägt. Er fand in Bibeltexten Brücken und Assoziationen zum Leben der Menschen, und die haben gebannt zugehört. Er erzählte nicht, dass Jesus alles richten würde, sondern wählte Sätze, die jeder als Anspielung auf unser Leben verstehen konnte. Ich erinnere mich an Worte vom ‚Volk, das im Dunkeln wandelt‘ oder ‚Dummheit und Stolz wachsen auf gleichem Holz‘. In der DDR sollte man ständig stolz sein auf die Errungenschaften des Sozialismus."

Christian Gauck ist in Hamburg Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und arbeitet am Krankenhaus Tabea. Auf die Frage nach möglichen Gründen für die Popularität seines Vaters antwortet er: "Er ist parteilos, aber er ist kein Anti-Politiker, das ist Unfug, und er ist auch nicht unpolitisch, wie geschrieben wird. Er übernimmt nur nicht alle Floskeln, die die Parteipolitik produziert, sondern macht sich eigene Gedanken."

Als er und sein Bruder ausreisen wollten, habe ihm sein Vater geraten: "Christian, ich kümmere mich um Menschen, die es nötiger haben, die inhaftiert sind. Ihr könnt bleiben und hier die Dinge verändern." Christian war 23 Jahre alt, als er den Antrag stellte. Er habe es aber nicht gemacht, um studieren zu können, sagt Christian Gauck. "Diese ständigen Gängeleien und Hänseleien durch einige Lehrer, aber auch Mitschüler, nur weil wir an Gott glaubten und zu bestimmten Dingen eine andere Meinung hatten. Auf dem Dorf ging das alles noch, da waren ja viele kirchlich, aber später in der Stadt, in Rostock, war es unerträglich." Dennoch habe er seinen Vater immer verteidigt. "Im Westen war das dann mit der Wende umgekehrt. Hier sprachen die Leute von ihm immer mit Respekt." (pro)
http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article2210605/Gesine-Lange-Mein-Vater-bald-Praesident.html
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/joachim-gaucks-sohn-christian-er-war-fuer-uns-selten-der-vater-11671517.html
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