Der Johannisempfang des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland ist so etwas wie das kirchliche Stelldichein der wirklich Großen in der deutschen Bundespolitik. So lag es nahe, dass Nikolaus Schneider in seiner Festrede vor allem auf aktuelle politische Themen einging – und auch ein wenig über die Kirche sprach. Er sei davon überzeugt, dass die Energiewende "ein grundlegender Schritt in die richtige Richtung ist", erklärte er vor Polit-Prominenten wie Angela Merkel, Sigmar Gabriel, Unions-Fraktionschef Volker Kauder, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle oder den Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt und Wolfgang Thierse.
Schneider rief außerdem dazu auf, der Euro-Krise durch eine Regulierung der Finanzmärkte entgegenzutreten. "Vermeidung von Neuverschuldung und Schuldenabbau müssen ein vorrangiges Ziel staatlichen Handelns zur Sicherung des sozialen Zusammenhalts und des Friedens sein", erklärte der Theologe und stellte klar: "Wir wollen all denen, die das Friedensprojekt Europa dem wirtschaftlichen Egoismus und einer aufkommenden Kleinstaaterei zu opfern bereit sind, unmissverständlich entgegentreten."
Plädoyer für mehr Freimut
Christenmenschen beanspruchten für ihre Kirchen keine politische Macht. Dennoch dürfe sich Kirche auch nicht völlig zurückziehen und aus der Öffentlichkeit verschwinden. Das befürchtet Schneider in einem zunehmend multireligiösen Deutschland. "Ich sehe in diesem Zusammenhang mit Sorge, dass aus Verunsicherung oder aus einer formalistisch gedeuteten Gerechtigkeit eine einfache und schnelle Lösung darin gesucht wird, alle Religionen unsichtbar zu machen. Weil keine Religion bevorzugt werden soll, werden alle öffentlichen Religionsäußerungen abgelehnt." Eine Gesellschaft werde jedoch ärmer, wenn sie etwa den Beginn des Schuljahres, der Legislaturperiode oder den Auftakt einer Fußballweltmeisterschaft nicht mehr mit einem Gottesdienst feiern könne.
Auch der Gastgeber, Prälat Bernhard Felmberg, rief in seiner Begrüßung zu mehr "Freimut" im Umgang mit Glaubensfragen auf. Das Sprechen über den Glauben sei zwar nicht immer populär, es sei aber die Aufgabe eines Christen, die Gesellschaft zu prägen. Die Kirche dürfe sich nicht "in die Nische reden, schreiben und stecken lassen", sondern müsse "mitten im Leben" stehen. Nach biblischem Vorbild der Apostel Petrus und Johannes erklärte Felmberg: "Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben!" (pro)