Seine Wahl zum Papst 2005 galt als große Überraschung. In seinem achtjährigen Pontifikat sorgte Benedikt XVI. für weitere Überraschungen. Unvergessen sind seine Auftritte bei den Weltjugendtagen und im Deutschen Bundestag. Am 16. April feiert der frühere Papst seinen 90. Geburtstag. Mit ihm schied zum ersten Mal seit fast 600 Jahren ein Papst nicht durch seinen Tod aus dem Amt aus.
1927 geboren in Marktl am Inn galt Ratzinger in seiner Amtszeit als Traditionalist. Er forderte seine Kirche immer wieder dazu auf, gegen die Beliebigkeit der Gesellschaft anzukämpfen und stark im Glauben zu bleiben. Für die einen war er zu konservativ, die anderen sahen gerade in scharfsinniger Theologie seine Stärke.
Ratzinger wuchs mit seinen beiden Geschwistern Maria und Georg, der auch Priester wurde, auf. Mit 14 Jahren wurde er zwangsweise in die Hitlerjugend aufgenommen. Im Zweiten Weltkrieg musste er als Luftwaffenhelfer und später in der Wehrmacht dienen. Priester wollte er schon früh werden. Nach dem Abitur studierte Ratzinger Theologie und Philosophie in Freising und München.
Früh Chef der Glaubenskongregation
Zunächst war Ratzinger Kaplan in München, schlug dann aber eine wissenschaftliche Karriere ein. Mit 31 Jahren trat er seine erste Professur an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising an. Später lehrte er in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. 1977 wurde er zum Erzbischof von München und Freising ernannt. Papst Johannes Paul II. berief ihn fünf Jahre später zum Präfekten der Glaubenskongregation. Als solcher hatte er die Glaubens- und Sittenlehre in der ganzen Katholischen Kirche zu fördern.
Die Homosexuellenverbände kritisierten ihn scharf dafür, dass er die rechtliche Anerkennung der Lebensgemeinschaften Homosexueller ablehnte. In Deutschland forcierte er den Ausstieg aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung. Nach dem Tod Johannes Paul II. wurde Ratzinger im vierten Wahlgang des Konklaves 2005 zum neuen Papst gewählt. Er bezeichnete sich selbst als „einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn“. Der 78-Jährige besuchte zu Beginn seiner Amtszeit den Weltjugendtag in Köln. Ansonsten legte Ratzinger Wert auf eine bescheidenere und weniger zentralistische Art der Amtsführung.
Regensburger Rede erzürnt die Muslime
2006 erzürnte er die islamische Welt durch seine „Regensburger Rede“. Darin benutzte er das Zitat eines byzantinischen Kaisers: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Muslimische Vertreter interpretierten das als Hasspredigt. Bei seiner Türkei-Reise setzte Benedikt dann aber den Dialog mit den Muslimen fort. Als die Katholische Kirche 2007 ein Dokument veröffentlichte, das die Einzigartigkeit der römisch-katholischen Kirche betonte, sprach der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber von einem „Rückschlag für die Ökumene“.
„Es gibt Fragen, die nur durch den gekreuzigten Christus zu beantworten sind, durch den Menschen, in dem unser Leid an das Herz Gottes, an die ewige Liebe rührt.“
2009 hob Benedikt XVI. die Exkommunikation von vier Piusbrüdern auf, unter ihnen auch der Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson. Benedikt XVI. gab an, zu diesem Zeitpunkt nichts von dessen Leugnung gewusst haben. Dagegen steht die Aussage des Stockholmer Bischof Anders Arborelius, den Vatikan bereits im Herbst 2008 davon unterrichtet zu haben. Benedikt XVI. erklärte 2010, dass er im Wissen um die Leugnung den Fall Williamson anders gehandelt hätte.
Ebenfalls in die Amtszeit Ratzingers fiel der Missbrauchsskandal und seine Aufarbeitung. Ratzinger suchte in der Tradition des Zweiten Vatikanischen Konzils den Dialog der Religionen und Kulturen. Er erinnerte an die „komplexen und oft schmerzlichen Beziehungen“ zwischen Christen und Juden, wies aber auch auf die gemeinsamen Wurzeln hin. Als er 2008 für die Bekehrung der Juden zu Jesus Christus betete, waren Vertreter des jüdischen Glaubens empört.
Politik der vorbeugenden Konfliktlösung
2011 rief Papst Benedikt XVI. ein Jahr des Glaubens aus. Den Vereinten Nationen schrieb er bei einer Rede dort eine „Politik der vorbeugenden Konfliktlösung“ ins Stammbuch. Dabei müssten alle diplomatischen Mittel und „selbst die geringfügigsten Zeichen“ von Dialogbereitschaft genutzt werden. Zugleich schloss er aber „kollektive Aktionen der internationalen Gemeinschaft“ nicht aus.
Benedikt XVI. besuchte in seiner Amtszeit das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Etliche Gläubige sahen dies als positives Zeichen. Seine Kritiker warfen ihm vor, sich nicht zum Thema Antisemitismus in Polen geäußert zu haben. Bei Fragen der Abtreibung und der Sterbehilfe blieb er der ablehnenden Linie seines Vorgängers treu. Vor allem die Gentechnik kritisierte Ratzinger scharf, weil sie im Widerspruch zur göttlichen Schöpfung stehe. Er warnte eindringlich vor der Embryonenforschung und den Möglichkeiten des Klonens.
Boykott im Deutschen Bundestag
Am 22. September 2011 hielt Papst Benedikt XVI. im Rahmen seiner Deutschland-Reise eine vielbeachtete Rede im Deutschen Bundestag. Er unterbreitete darin Gedanken über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats. Etwa 100 Parlamentarier, vor allem der Linken, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen boykottierten den Auftritt, weil sie ihn für unvereinbar mit der religiösen Neutralität des Staates hielten.
Nach seinem Rücktritt 2013 nahm Joseph Kardinal Ratzinger nur noch selten an öffentlichen Anlässen teil. In fünf Einrichtungen wird sein geistiges Erbe erforscht und bewahrt beziehungsweise sein Leben und Werk dargestellt. Deutschland verlieh ihm 1994 das Großkreuz des Verdienstordens.
Das Online-Magazin The European würdigte Ratzinger dafür, dass der Glaube der Kirche an Jesus Christus durch ihn schärfer konturiert sei und „der Kern des Katholischen sichtbarer“ geworden sei. Ratzinger, der mehrere Sprachen fließend spricht, stand im Dezember 2012 auf der Forbes-Liste der 70 mächtigsten Menschen der Welt als Papst auf Platz 5. (pro)
Von: jw