Elternfreie Zone: Konfirmandenunterricht in der 10er-WG

"Um 19 Uhr waren die Eltern endlich weg." Damit beginnt für zehn Konfirmanden aus Bremen eine spannende Zeit. Zusammen leben sie für mehrere Wochen in einem WG-Haus und schmeißen den kompletten Haushalt alleine. Kochen, Putzen, Wäsche waschen und Rasen mähen – nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung von Teenagern. Ob das gut geht?
Von PRO

"Tim kam nicht mehr aus dem Klo. Der Schlüssel klemmte! Wir versuchten verzweifelt, ihn zu befreien, doch nach einer halben Stunde wurde der Sauerstoff im Badezimmer knapp. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit! Die einzige Möglichkeit, mit ihm zu kommunizieren, war durch einen Schlitz in der Tür." So schildert Anton die Situation auf dem Weblog der "Konfus-WG". Zehn Konfirmanden leben gemeinsam unter einem Dach, und das nicht etwa in den Ferien, sondern während der Schulzeit.

Die Evangelische Kirchengemeinde St. Martini in Bremen-Lesum hat schon immer nach besonderen Wegen gesucht, um Glaubensinhalte an die Konfirmanden zu vermitteln. Jetzt hat sie für ein Jahr ein Haus gemietet, fünf Zimmer, zwei Küchen, zwei Bäder, Wohn- und Esszimmer sowie ein kleiner Wintergarten. Ein großer Garten mit Volleyballfeld, Grillecke und Tischkicker. Drei Gruppen mit jeweils zehn Jugendlichen wohnen darin über das Jahr verteilt, zuerst für vier Wochen, dann nochmals für sieben Wochen. Begleitet werden die Konfirmanden von ehrenamtlichen Mitarbeitern, von denen immer mindestens einer mit im Haus wohnt, und Diakon Dieter Niermann.

"Der Unterricht gelingt so deutlich besser."

Die Idee kam Niermann durch ein Schild am Ortsausgang von "Eltern". Der durchgestrichene Ortsname ließ ihn an eine elternfreie Zone denken, bei der die Jugendlichen selbst die Regeln bestimmen. Ein solches Schild steht jetzt auch im Garten der WG. Hinter dem Projekt stehe der Gedanke, den Glauben im Alltag zu leben. "Die Konfirmanden haben im Alltag wenig Bezug zur Religion. Wir wollten Religion an dem Ort, wo sie ihre Wurzeln hat, im Zusammenleben, weitergeben", sagte Niermann gegenüber pro. Der Morgen beginnt mit einem Gebet, über den Tag verteilt gibt es kleine Aufgaben, bei denen die Konfirmanden sich mit dem Glauben beschäftigen sollen. Nachmittags gibt es regelmäßig eine dreistündige Unterrichtseinheit, vor dem Schlafengehen setzen sich dann alle nochmal zusammen und sprechen über Bibelpassagen und Gebete. "Der Unterricht gelingt so deutlich besser", sagt Niermann. Viele Unterrichtseinheiten finden nebenbei statt, heißt es auf der Homepage der WG. Mit Bildern, Filmsequenzen, Bibelworten als Tagesbegleiter, biblischem Kochen und vielem mehr sollen die Konfirmanden ganz praktisch an den Glauben herangeführt werden.

Die Teenager müssen sich selbst um alles kümmern. Wäsche bei den Eltern abladen oder mal daheim was "Richtiges essen" gibt es nicht. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass Essen auf den Tisch kommt und das Haus sauber gehalten wird. Bisher sind Niermanns Erfahrungen sehr positiv. Zwei Betreuer seien zwar ständig anwesend, hielten sich aber zurück. "Die Maßstäbe setzen die Jugendlichen." Wenn das aber mal nicht funktioniert, sorgen die Mitarbeiter für Ordnung. "Die Konfuseinheit hat mit einer kleinen Standpauke der Betreuer angefangen, die später in eine riesen Küchenaufräumaktion ausartete. Okay, nicht ganz so riesig, aber die Küche sah schon nicht mehr so schön aus", schreibt Lotti.

Im Großen und Ganzen klappt das Zusammenleben in der WG, auch wenn in der Küche schon mal Zucker und Salz verwechselt werden oder es Streit darüber gibt, wer in den Supermarkt gehen muss. Auch Tim konnte nach kurzer Zeit wieder aus dem Klo befreit werden:  "Nach ein paar Minuten gelang es mir, Tim zu befreien. Rettung in letzter Sekunde! Tim ist frei, das ist ein kleiner Schritt für die Konfus-WG, aber ein großer Schritt für Tim!" (pro)

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