EKD setzt Betroffenenbeirat aus

Mit einem Beirat wollte die EKD Betroffene an der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs beteiligen. Das Konzept ist aber gescheitert, das Gremium ausgesetzt. Die Kirche will andere Formen der Beteiligung finden.
Von Jonathan Steinert
Dr. Christoph Meyns, Landesbischof der Evang. Landeskirche Braunschweig

Das zumindest vorläufige Aus des Betroffenenbeirats zur Begleitung der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche sorgt für Kritik. „Mit der einseitigen Aussetzung der Betroffenenbeteiligung versucht sich die EKD der Kritik von Betroffenen an ihren unzureichenden Prozessen der Aufarbeitung zu entziehen“, heißt es in einer am Dienstag
verbreiteten Erklärung von vier noch aktiven Beiratsmitgliedern. Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonten demgegenüber, die Betroffenenbeteiligung solle fortgeführt werden. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, schlug einen Schlichtungsversuch vor, um das Gremium nicht aufzugeben. „Eine Beendigung – egal ob sie Aussetzung, Auflösung oder Ruhen genannt wird – darf immer nur ultima ratio sein“, sagte Rörig dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die EKD hatte am Montagabend das vorläufige Aus des Betroffenenbeirats bekanntgegeben. Die Konzeption sei gescheitert, hieß es. Grund sind demnach erfolgte Rücktritte aus dem Gremium, interne Konflikte und Dissens zwischen dem Betroffenenbeirat und dem Gegenüber auf EKD-Seite, dem Beauftragtenrat, über das weitere Vorgehen. Es sei deutlich geworden, dass die bisher gewählte Form der Beteiligung an Grenzen gestoßen sei, sagte der Sprecher des Beauftragtenrats, der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns. Er sprach von einem notwendigen „Neustart der Betroffenenpartizipation“. Bis dahin soll es eine Zwischenlösung geben, zu der aber keine Details genannt wurden.

EKD übernimmt Verantwortung für Scheitern

Der badische Bischof Jochen Cornelius-Bundschuh, der ebenfalls dem Beauftragtenrat angehört, räumte Fehler ein. Es sei „wirklich ein Scheitern und schmerzlich, dass der von uns vorgeschlagene Weg nicht tragfähig war», sagte er. Die EKD übernehme die Verantwortung für das Scheitern. Nach Angaben der EKD soll nun durch eine Evaluation geklärt werden, was schief lief.

Cornelius-Bundschuh sagte, dass in Gesprächen mit ausgeschiedenen und verbliebenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats schon Faktoren deutlich geworden seien: „Unklarheiten schon in der Konzeption, mangelnde Begleitung des Prozesses und Unterstützung des Beirates.“ Fünf der bei Gründung des Gremiums im September zwölf Mitglieder hatten ihre Mitarbeit bereits aufgegeben. Sie und aktive Mitglieder beklagen unter anderem, dass sie unzureichend informiert, nicht rechtzeitig an Entscheidungen beteiligt und nicht auf Augenhöhe behandelt worden seien.

Klare Regeln fehlten offenbar

Die Evaluation lehnen die zuletzt verbliebenen Mitglieder ab. „Vertrauliche Protokolle würden so gegen den Willen von Betroffenen weitergegeben werden“, heißt es in ihrer Mitteilung, die unter anderem Katharina Kracht, Detlev Zander und Henning Stein unterzeichnet haben. Auch Rörig äußerte Skepsis: „Ich kann einen Prozess erst dann evaluieren, wenn er eine gewisse Zeit nach festgelegten Kriterien gelaufen ist“, sagte er.

Eine Erklärung für das Scheitern des Betroffenenbeirats sieht Rörig in der mangelnden Geschäftsgrundlage. „Es muss klare Regeln geben, was die Pflichten der Institution und die Möglichkeiten der Mitwirkung der Betroffenen sind“, sagte er. Eine feste Geschäftsgrundlage sei notwendig, um enttäuschte Erwartungen auf beiden Seiten zu vermeiden. Das Gremium hatte nach epd-Informationen bis zur Auflösung noch nicht einmal eine formelle Geschäftsordnung und damit Regeln, wie man mit Anträgen im Gremium verfährt. „Ich will nicht ausschließen, dass sowohl der Rat der EKD als auch der Beauftragtenrat die Größe der Herausforderung der Betroffenenbeteiligung insgesamt unterschätzt hat“, sagte Rörig. Er verhandelt derzeit noch mit der evangelischen Kirche über eine „Gemeinsame Erklärung“ über Standards der Aufarbeitung von Missbrauch nach dem Vorbild einer schon vorhandenen Vereinbarung mit
der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

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