Die 150 Seiten einer Schrift über Sexualethik sind schon geschrieben, aber die EKD will sie nicht veröffentlichen. Der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, Friedrich Hauschildt, nannte dem WDR als wichtigsten Grund dafür, dass die Debatte um das Familienpapier der EKD vom vergangenen Jahr „in einigen wichtigen Grundsatzpunkten deutlich Klärungsbedarf“ offenbart habe. Bevor diese Punkte nicht geklärt seien, sei es aus Einschätzung des Rates der EKD nicht klug, mit einem weiteren Text an die Öffentlichkeit zu gehen. Im kommenden Jahr wird der Rat neu gewählt. Es sei denkbar, dass das Thema Sexualethik dann im Arbeitsprogramm der nächsten sechs Jahre wieder auf der Tagesordnung steht, sagte Hauschildt.
Peter Dabrock, Professor für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik an der Uni Erlangen-Nürnberg, hat an dem neuen Papier mitgeschrieben. Er bedauerte gegenüber dem Radiosender die Entscheidung der Kirchenleitung. Die gesellschaftliche Realität von unverheirateten Eltern, homosexuellen Paaren, Patchwork-Familien und Menschen, die „einfach so Sex haben und, wenn alles gut läuft, dabei sogar Freude empfinden“, müsse reflektiert werden. „Das wäre auch eine große Chance gewesen, dass man zunächst wirklich auch erst mal die guten, die schönen, die lebensbejahenden, die wilden, die verrückten Seiten von Sexualität deutlich macht“, sagte er. Es wäre ein Impuls gewesen, wenn eine Kirche sich hier „nicht auf fast 2.000 Jahre Leibfeindlichkeit im Christentum berufen“ würde. Über den genauen Inhalt des Papiers sagte Dabrock nichts.
An der Orientierungshilfe zu Ehe und Familie, die die EKD im vergangenen Jahr vorstellte, beanstandeten Kritiker unter anderem, sie setze den Wert der Kernfamilie und der lebenslangen Ehe zwischen Mann und Frau herab. Der EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider, sagte hingegen, die Ehe bleibe die Leitvorstellung der Kirche. Sie sei aber nicht mehr die einzige Lebensform, die auf den Segen Gottes hoffen könne. (pro)