EKD-Chef: Biblische Geschichten wichtig bei Krisenbewältigung
Bei der Bewältigung von Krisen spielen christliche Tradition und religiöse Narrative eine zentrale Rolle. Das sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, beim Johannisempfang seiner Kirche in Berlin, und warnte davor, Krisen anzubeten.
Der EKD-Ratvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm wies beim Johannisempfang der EKD auf die Bedeutung biblischer Geschichten für die Bewältigung von Krisen hin
In seiner Rede beim Johannisempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin hob der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm die biblischen Hoffnungsbilder der jüdisch-christlichen Tradition als Quellen für Mitgefühl und Engagement hervor: „Hunderttausende Ehrenamtliche in den christlichen Gemeinden führen in diesem Geist nicht Klage über die hohe Zahl von Flüchtlingen oder befeuern Ängste, sondern handeln und verbreiten so Zuversicht anstatt Fatalismus“, sagte Bedford-Strohm. Aus der Bibel könne man erkennen, dass Fremdlinge im eigenen Land nicht unterdrückt werden dürften. Die Bibel verpflichte zur Solidarität.
„Die Kraft der biblischen Hoffnungsbilder besitzt mehr denn je Relevanz für unsere Gesellschaft“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende bei seiner Hauptstadtrede. Bedford-Strohm stellte die Frage, wie wir in unserer Gesellschaft mit den Bildern von schreienden Kindern umgingen, die beim Abwurf von Fassbomben auf Aleppo ihre Eltern verloren haben oder Verbrennung und Verstümmelungen erlitten. „Es gibt keine Geschichte. Es gibt immer nur gedeutete Geschichte“, erklärte Bedford-Strohm. Deswegen sei die Frage für ein Land zentral, welche Erzählungen in ihr kulturelles Gedächtnis einzögen. „Was sind die Narrative, aus denen ein Land lebt? Und wo begegnen wir bewussten Umdeutungen, vielleicht auch ideologischen Pervertierungen der Narrative, die für das kulturelle Gedächtnis eines Landes eine zentrale Rolle spielen?“.
„Anbetung der Krise ist Götzendienst“
Nach wie vor spielen nach Ansicht des Theologen religiöse Inhalte, und hier besonders die christliche Tradition, eine zentrale Rolle. „Es ist Zeit, dass wir uns als Land, ja als Kontinent Europa, über die Narrative verständigen, die uns tragen“, sagte der Ratsvorsitzende.
Derzeit habe der Fatalismus Konjunktur. Der Landesbischof warnte vor der Anbetung von Krisen. „Die Anbetung der Krise ist der Götzendienst der Fatalisten. Je mehr Krise, desto besser.“ Solch ein Krisen-Götzendienst wirke sich auf die gesellschaftliche Gemütslage aus. Auf die Höhenflüge der Krisenbewältigung folge die Depression angesichts der nächsten Krise. Die Debattenzyklen würden in immer kürzeren Abständen geführt, erklärte Bedford-Strohm. „Der Götze ‚Krise‘ will bedient werden.“
Auch ein weltanschaulich neutraler Staat brauche Narrative, die dazu geeignet seien, Geschichte zu deuten, erklärte Bedford-Strohm. „Vielleicht braucht er [der Staat; Anmerkung: d. Red.] gerade jetzt Hoffnungsgeschichten“. Zur „Krisenbewältigungskompetenz“ gehöre nach seiner Auffassung immer auch soziale Gerechtigkeit. „Krisenbewältigung ohne soziale Gerechtigkeit ist auf Sand gebaut“, sagte der Ratsvorsitzende. „Wer die Kernthemen sozialer Gerechtigkeit vernachlässigt, der hat schon in den Klingelbeutel des Krisen-Götzendienstes eingezahlt.“
Deutschland sei in diesen Tagen ein in vielerlei Hinsicht gesegnetes Land. „Es ist Zeit, die Sorge um die Zukunft zu überwinden und als Land aus der Kraft, der Liebe und der Hoffnung zu leben.“
Zahlreiche Gäste aus Politik, Kirchen, Kultur und Wirtschaft, darunter der frühere Bundespräsident Horst Köhler (CDU) und der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), waren am Donnerstag der Einladung der EKD zum Jahresempfang in die Französische Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt gefolgt. (pro)
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