Einer von ihnen!? – Luther und die Katholiken

Durch eine rote und eine blaue Brille kann man derzeit in einer Sonderausstellung in Eisenach einen Blick auf Martin Luther werfen. Unter dem Titel „Ketzer, Spalter, Glaubenslehrer – Luther aus katholischer Sicht“ zeigt das Lutherhaus den Wandel der katholischen Betrachtung des Reformators.
Von PRO
Ohne Brille sieht man in der Ausstellung nur halb so viel. Das Accessoire sollte unbedingt benutzt werden.

Martin Luther sei der „Gemeinste aller Zweifüßler“, „ein großer Unflat“, der „das Maul voller Dreck“ habe – so die verbreitete katholische Meinung in den Jahren nach 1517 und darüber hinaus. Seitdem hat sich viel getan. Heute heißt es von dieser Seite: Er sei ein „Lehrer im Glauben“, ein „beeindruckender Gottessucher“. Eine deutschlandweit einmalige Ausstellung zum Reformationsjubiläum dokumentiert nun das katholische Lutherbild in den vergangen 500 Jahren und zeigt, ab wann und wie es sich veränderte.

Dazu wurde eine innovative Schau konzipiert. Die rot-blauen Brillen, die am Eingang verteilt werden, sorgen dafür, dass entweder die katholische oder die evangelische Sicht auf Luther betrachtet werden kann. Ein und dasselbe Bild sieht dann ganz unterschiedlich aus. Zu finden sind die Inhalte nicht in Büchern oder auf Schautafeln. Die Exponate sind bedruckte Kisten, die den Besucher durch fünf Stationen der katholischen Luthersicht führen.

Die gleiche Wand mit unterschiedlichen Inhalte: Der rote Teil der Brille zeigt die katholische Sicht, der blaue Teil die evangelische. Foto: Mirjam Petermann
Die gleiche Wand mit unterschiedlichen Inhalte: Der rote Teil der Brille zeigt die katholische Sicht, der blaue Teil die evangelische.

„Kulturkampf“ um Luther

Die Ausstellung beginnt mit den gemeinsamen Wurzeln und Luthers Absicht die Missstände zu beseitigen und nicht die Kirche zu spalten. Das zweite Kapitel beleuchtet die Zuspitzung des Konflikts mit den unüberwindbaren Gegensätzen. Auf katholischer Seite entstand in dieser Zeit ein polemisch verzerrtes Lutherbild, das über nahezu vier Jahrhunderte relativ konstant blieb. Selbst unter Protestanten verbreitete Annahmen, Luther hätte viel gegessen und getrunken, gehen auf diese ursprünglich katholische Polemik zurück.

Der dritte Schwerpunkt liegt auf der Zeit des preußischen Kulturkampfes zwischen 1871 und 1887, in der Luther von katholischer Seite eine weitere Abwertung erfuhr. Dabei wurde er „zunehmend pathologisiert und als psychisch degeneriert dargestellt“, fasst der Kurator des Lutherhauses Jochen Birkenmeier zusammen. „Dabei lässt sich eine Parallelität feststellen: Je mehr die Protestanten Luther zum Heiligen stilisierten, umso harscher hielten die Katholiken dagegen“, so Birkenmeier weiter. Erst nach der Beilegung dieses politischen Konflikts setzte eine langsame Versachlichung in der Debatte um die Person Luthers ein, wie der vierte Abschnitt der Ausstellung zeigt. Das letzte, bis in die Gegenwart reichende Kapitel beginnt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dokumentiert, wie sich die katholische und evangelische Kirche in den vergangenen 70 Jahren schrittweise annäherten.

Luther-Ausstellung als ökumenisches Kunstwerk

Die Sonderausstellung des Lutherhauses versteht sich als Ergänzung zur nationalen Ausstellung auf der nahegelegenen Wartburg, die Anfang Mai eröffnet wird. Sie biete jedoch eine andere Ästhetik, einen anderen Zugang als eine klassische Ausstellung, sagt Jochen Birkenmeier. Sie sei in einen Annäherungsprozess einzuordnen, der, zumindest in Mitteldeutschland, zu einem inzwischen „partnerschaftlichen, fast freundschaftlichen Verhältnis“ beider Konfessionen führte, so der Kurator. „Natürlich gibt es noch offene Fragen, aber in theologischen Grundfragen ist man sich sehr nahe gekommen“, stellt Birkenmeier fest.

Am Ende der Sonderausstellung werden die Besucher aufgefordert ihr eigenes Luther-Bild zu malen oder Thesen und Meinungen zum eigenen Luther-Bild zu formulieren. Foto: Mirjam Petermann
Am Ende der Sonderausstellung werden die Besucher aufgefordert ihr eigenes Luther-Bild zu malen oder Thesen und Meinungen zum eigenen Luther-Bild zu formulieren.

„Die Ausstellung ist ein gemeinsames, ökumenisches Werk“, betonte auch Ilse Junkermann, Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, bei der Eröffnung der Ausstellung am Mittwochabend. Und darin liegt tatsächlich der Wert der Ausstellung: Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Perspektiven auf Martin Luther ermöglicht einem Gewinn für beide Seiten. Die Ausstellung ist durchgängig zweisprachig (deutsch/englisch), barrierefrei und ab 13. April täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Das Eisenacher Lutherhaus gehört zu den europäischen Kulturerbestätten und ist eines der bedeutendsten Reformationsmuseen in Mitteldeutschland. (pro)

Von: Mirjam Petermann

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