Einen Nathan für Bill Hybels

Dem Pastor Bill Hybels ist im Rahmen der Missbrauchsvorwürfe gegen sich ein persönlicher Berater im Format des biblischen Nathans zu wünschen. Dieser öffnete König David die Augen. Der Kirchengründer muss verstehen: Nicht die Frauen, die an die Öffentlichkeit gegangen sind, sind das Problem, sondern er selbst ist es. Eine Kolumne von Jürgen Mette
Von Jürgen Mette
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte.

Ja, ich bin enttäuscht. Nicht empört! Wer bin ich, dass ich mich über Bill Hybels erhebe? Ehebruch in der Phantasie – wer davon frei ist, der werfe den ersten Stein. Bisher ging es um Vorwürfe von ehemaligen Kolleginnen und Kollegen von Hybels, die man als grenzwertig beschreiben könnte. Er hat alles kategorisch abgestritten. Das war auffällig.

Auffällig war auch die einmütig wirkende Solidarität der Ältesten, flankiert durch das unanfechtbar wirkende Gutachten externer Prüfer und der stehende Applaus von 4.000 Gemeindegliedern in Gegenwart der ganzen Familie Hybels. Das alles ließ uns hoffen, dass damit nun Ruhe einkehren würde. Die neusten Vorwürfe aus dem Mund der Chefsekretärin Ende der 1980er Jahre werfen jedoch ein anderes Licht auf den gegenwärtig prominentesten Evangelikalen der Welt.

Willow Creek aus der Krise führen

Hybels hat auch diesen Vorwurf kategorisch zurückgewiesen. Und das hat seine beiden Nachfolger Steve Carter und Heather Larson so erschüttert, dass sie resigniert die Brocken hingeworfen haben. Man darf gespannt sein, wer noch resigniert und kapituliert. Das macht den Weg frei für eine Führungsmannschaft, die ohne Blessuren antritt und Willow Creek aus der Krise führen kann.

Bill Hybels wünsche ich jetzt einen persönlichen Berater vom Format des biblischen Nathans an die Seite, der König David die Augen geöffnet hat, indem er ihm in prophetischer Klarheit sagte: „Du bist der Mann!“ (2. Samuel 12) Du bist das Problem, nicht die Frauen, die ihr Schweigen gebrochen haben! Warum diese gerade jetzt alle in die Öffentlichkeit gehen und sich den großen Zeitungen wie der New York Times und der Chicago Tribune anvertrauen, lässt uns irritiert zurück. Der Vorgänger von David, der depressive und glücklose König Saul flehte seinen Berater Samuel an: „Ich habe zwar gesündigt, aber ehre mich doch vor den Ältesten des Volkes!“ Buße geht anders.

„Wandel im Licht“ als bestes Heilmittel

Heute beginnt in South Barrington bei Chicago der Global Leadership Summit mit weltweiter Ausstrahlung, 450.000 Teilnehmer waren es im vergangenen Jahr. Erstmalig ohne den Erfinder, Präger und Gastgeber Bill Hybels. Das Krisenmanagement der Ältesten wirft viele Fragen auf. Das, was als unabhängige Untersuchung gepriesen wurde, entpuppt sich nun als eine voreingenommene Reinwaschungsoffensive zugunsten des Beschuldigten. Steht die Gemeinde, die weltweit so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, und die ein Modell von Gemeinde der Zukunft verkörpert hat, wie kaum eine andere, vor einem irreparablen Imageverlust? Ich glaube nicht. Die Willow Creek Church verliert nicht in der Krise ihren Exzellenzanspruch. Gerade jetzt ist „Wandel im Licht“ das beste Heilmittel für den geschundenen Leib der Gemeinde.

Ich wünsche dem heute beginnenden Kongress den Geist tiefgreifender Buße. Jetzt geht es nicht um die perfekte Inszenierung einer Show im Hochglanzdesign, sondern um ein solidarisches und kollektives Beugen vor dem heiligen Gott, der Bill Hybels berufen, begabt und zum Segen von Millionen von geistlichen Leitern gebraucht hat. Ich wünsche allen Interimsverantwortlichen Demut und Vollmacht, jetzt inmitten des Desasters die heilende Kraft der Versöhnung und eine tiefgreifende Erneuerung des Kongresse und der Gemeinde.

Die Willow-Creek-Kirche soll künftig nicht an der Exzellenz von Größe und Perfektion, nicht an ihren kaum noch zu steigernden Superlativen, sondern an ihrer Armseligkeit erkannt werden. Das könnte dem ganzen Kongress eine Erschütterung schenken, die zu einem Aufbruch in eine neue Segensgeschichte führen könnte. Das ist meine Hoffnung für diesen Kongress. Und wir, die wir bisher vor Schlimmerem bewahrt wurden, haben allen Grund, uns unter die gewaltige Hand Gottes zu beugen und zu rufen: „Kyrie eleison. Herr, erbarme dich.“

Von: Jürgen Mette

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