Eine Vorlesung in aller Kürze

Der Münchener Theologieprofessor Gerd Häfner geht ungewohnte Wege, um Einblicke in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion zu geben. In seinem Blog "lectio brevior" stellt er seit einem Jahr ins Netz, womit sich die akademische Welt in seinem Fachgebiet beschäftigt. Gegenüber pro hat Häfner sein Projekt vorgestellt.


Von PRO
Ungewöhnlich ist es deswegen, weil das Projekt gar nicht in die akademische Welt zu passen scheint. Die Bibel ist eher in Verfilmungen ein Medienthema, aber meistens nicht in wissenschaftlichen Blogs. Häfners Anliegen ist es, dies zu ändern und das publik zu machen, was an den Universitäten und in seiner Disziplin – dem Erforschen des Neuen Testaments – geleistet wird. "Das Internet hat uns neue Formen der Kommunikation geschaffen, mit denen wir einen konkreten Mangel, die fehlende Vermittlung theologischen Denkens, beseitigen können", schreibt Häfner auf seinem Blog.

Entstanden ist die Idee bei der Diskussion um ein katholisches Memorandum im Februar 2011. Damals hatten über 300 Theologen die Denkschrift zur Krise der katholischen Kirche unterzeichnet und damit eine breite gesellschaftliche Diskussion ausgelöst. "Ich hatte einfach den Eindruck, dass von dem, was wir in der Theologie treiben, wenig bei den Menschen ankommt. In der Diskussion um das Memorandum war meiner Meinung nach auch viel Misstrauen und Unwissen dabei", erklärt Häfner, der selbst zu den Unterzeichnern des Memorandums gehört. Diesen Mangel wollte er abstellen und ist aktiv geworden. In der wissenschaftlichen Bloggerszene gilt er als katholischer Vorreiter. Bei den Protestanten nennt Häfner seinen Münchener Kollegen Wolfgang Fenske, der auch einen viel beachteten Blog betreibt.



Welt der Theologie erschließen



Auch wenn der Name von Häfners Blog "lectio brevior" etwas sperrig klingt, hat ihn der Theologe bewusst so gewählt. "Lectio brevior" steht für eine "kürzere Vorlesung", also die Lehrart, die die Universitäten über viele Jahrhunderte hinweg prägte. "Manchmal werden die Beiträge, die ich schreibe, aber doch etwas länger", fügt er mit einem Schmunzeln hinzu. Eine spezielle Zielgruppe hat Häfner nicht: "Der Blog richtet sich an alle diejenigen, die an den Fragen interessiert sind, die ich bearbeite." Häfner schätzt die großen Chancen, die sich durch Blogs und neue Medien auch für die Wissenschaft ergeben.



Thematisch deckt er eine große Bandbreite ab: Egal, ob dies ein Kommentar zum "Weltbild-Skandal" ist oder seine Meinung zum "Hirtenbarometer", einer Seite, auf der die Gläubigen die Arbeit ihres Pfarrers bewerten. Der Theologe meldet sich zu aktuellen Fragestellungen zu Wort und immer dann, "wenn ich meine, dass ich dazu etwas sagen kann". Für "lectio brevior" hat er aus der Wissenschaftsszene viel Zustimmung erhalten. Sein Wunsch mit Studierenden auf diesem Weg in Kontakt zu kommen hat sich (noch) nicht erfüllt. Trotzdem greift er auch Fragen auf, die sich aus dem Studienalltag an der Universität ergeben.



Dabei wendet Häfner die (historisch-)kritische Methode an: "Schließlich ist dies der Ansatz, dem wissenschaftliche Exegese verpflichtet ist." Zuletzt hatte er auf seinem Blog 7.000 Klicks an einem Tag: "Im Boulevardmagazin ‚Das Neue‘ wurde die Weihnachtsgeschichte im Klatschformat dargestellt und ich hatte es kommentiert. Ein anderer Nutzer hatte dies dann mit dem ‚Bildblog‘  verlinkt", erklärt Häfner. Für seinen Blog verfährt er nach dem Motto "nur dann etwas zu schreiben, wenn ich meine, auch wirklich etwas dazu sagen zu können".

Der 51-Jährige ist derzeit Professor für Biblische Einleitungswissenschaft an der Katholischen-Theologischen Fakultät der Universität München. Nach dem Studium, der Promotion und Habilitation in Freiburg, lehrte er zunächst in Freiburg und später in Gießen. 2003 kam er als Wissenschaftler nach München. Seit knapp einem Jahr speist er das Internet mit den "Aufzeichnungen eines Neutestamentlers". (pro)
http://www.lectiobrevior.de/
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