„Eine Verschwendung von Steuergeldern“

Ab diesem Wintersemester hat die Humboldt-Universität in Berlin ein Institut für Islamische Theologie. Doch schon bevor der Lehrbetrieb offiziell begonnen hat, ist die Kritik an der Fakultät immens. Der Islamismus-Experte Ahmad Mansour hat pro erklärt, was ihn an der Einrichtung stört.
Von PRO
„Wollen Sie, dass Ihr Kind in einer Schule unterrichtet wird, wo ein konservatives Islamverständnis herrscht?“ Islamexperte Ahmad Mansour hat kritische Anfragen an das Islaminstitut der HU Berlin, das in diesen Wochen seinen Betrieb aufnimmt.

pro: Herr Mansour, braucht es ein Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität in Berlin?

Ahmad Mansour: Nicht, wenn die konservativen Islamverbände dort die alleinige Macht haben. Nicht, wenn dort weder eine Reform des Islams noch ein wissenschaftlicher Umgang mit dieser Religion gefördert wird, sondern das Gegenteil. Kein Mensch braucht das, es ist eine Verschwendung von Steuergeldern und es führt zu einer Etablierung des politischen Islams in Deutschland.

Für große Kritik hat im Vorfeld die Zusammensetzung des Instituts-Beirats gesorgt …

Schon jetzt wird deutlich, dass es eine riesige Streiterei über die Besetzung von Professorenstellen gibt. Die Verbände wollen jeweils ihre Männer und damit ihre Haltungen etablieren. Das hat mit wissenschaftlicher Arbeit nichts zu tun. Wir, die dieses Institut kritisch sehen, haben darauf schon vor Jahren hingewiesen. Es gab öffentliche Diskussionen mit dem Präsidenten der Humboldt-Universität, offene Briefe an die zuständigen Politiker in Berlin.

Vor allem gegenüber der SPD haben wir immer wieder erklärt, dass die Konservativen nicht die alleinige Macht haben dürfen. Auch die Liberalen müssen mitgestalten können. Es muss Alternativen in diesem Beirat geben, damit die wissenschaftliche Unabhängigkeit gewahrt wird und damit das Institut der Vielfalt des Islams gerecht wird. Aber wir haben nie Gehör bekommen und die Ergebnisse sehen Sie jetzt.

Wenn der Versuch, in Europa islamische Fakultäten zu gründen, gelingen soll, dann müssen diese Fakultäten auch Vertreter eines europäischen Islams hervorbringen. Denn diese Vertreter sind am Ende Lehrer in Schulen, Seelsorger, Islamwissenschaftler. Was sie lehren, muss kompatibel mit dem Grundgesetz und den Grundwerten unserer Gesellschaft sein. Das ist mit den bisher vertretenen Verbänden wie Ditib oder der Islamischen Föderation Berlin nicht zu machen. Wir spielen also mit der Zukunft unserer Kinder.

Sie sorgen sich um die Spätfolgen?

Wollen Sie, dass Ihr Kind in einer Schule unterrichtet wird, wo ein konservatives Islamverständnis herrscht? Wollen Sie, dass dort Unmündigkeit, Angst vor Geschlechtervielfalt und Tabuisierung von Sexualität gelehrt wird? Oder wollen Sie lieber, dass Ihr Kind in der Schule einen entspannten Umgang mit Religion erlernt und Alternativen zu einem radikalen Islamverständnis aufgezeigt bekommt?

Ein Islam-Institut, das sich liberal aufstellt, würde sich gegen die verbreitete Lehrmeinung des Islams weltweit positionieren …

Das gilt für Saudi-Arabien, für Ägypten und viele andere Länder, aber nicht in Europa. Der Ursprung hinter der Idee eines Islam-Instituts in Berlin war es, einen Islam zu schaffen, der mit unserer Demokratie kompatibel ist. Darum ging es auch der Politik. Nun tut sie nichts anderes, als einen konservativen Islam zu etablieren. Das ist ein riesiger Fehler.

Dennoch würde ein liberales Institut mit sich bringen, dass die Mehrheit der Muslime nicht vertreten wäre – denn die Mehrheitsmeinung ist konservativ.

Das Problem ist doch, dass wir in Deutschland immer versuchen, dem Islam kirchliche Strukturen aufzuzwingen. Ich bin dafür, dass wir nach neuen Lösungen suchen anstatt der Gründung eines Beirats. Unabhängigkeit von Lehre und Wissenschaft ist auf diesem Wege nicht zu erreichen. Fast keiner der Islamverbände hat zum Beispiel im Vergleich zu den Kirchen einen Körperschaftsstatus. Diese Vereine sollen also das Recht haben, zu entscheiden, wie die Zukunft des Islams in Deutschland aussieht? Ich bin dagegen.

In drei Jahren soll neu über die Zusammensetzung des Beirats entschieden werden. Dann könnten auch liberale Vertreter einen Platz bekommen.

In drei Jahren sind alle Strukturen bereits aufgebaut und alle Lehrstühle besetzt. Warum nicht jetzt schon? Das ist doch die wichtige Frage. Die liberalen Kräfte werden immer mitwirken wollen, aber sie dürfen auch nicht als Dekoration dienen, um ein konservativ ausgerichtetes Institut zu legitimieren. So macht man keine Wissenschaft.

Gibt es noch einen Weg zu einer gütlichen Einigung zwischen Liberalen und Konservativen in Berlin?

Politik und Wissenschaft müssen zugeben, dass sie einen großen Fehler machen, und das Konzept von Anfang an neu gestalten.

Herr Mansour, danke für das Gespräch!

Die Fragen stellten Martina Blatt und Anna Lutz

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