Eine „Super-Mom“ will US-Vizepräsidentin werden

Ist es schlimm, wenn ein Mädchen von 17 Jahren schwanger wird, obwohl sie nicht verheiratet ist? Für liberal denkende Menschen wie die demokratisch gesinnten US-Wähler wohl sicher nicht. Doch wenn die Mutter der 17-Jährigen eine bekennende konservative Christin ist, wird eine Teenie-Schwangerschaft für die Gegner von Präsidentschaftskandidat John McCain zum Politikum.
Von PRO

Mit Sarah Palin hat John McCain einen Coup gelandet. Die gutaussehende 44-jährige ehemalige „Miss Alaska“ verjüngt das mögliche Gespann aus Präsident und Vize auf ein Durchschnittsalter von 58. Das gegnerische Team Barack Obama / Joe Biden bringt es zusammen auf durchschnittlich 56 Jahre.

Aber nicht nur das Alter ist der Grund dafür, warum die Ernennung Palins zur möglichen Vizepräsidentin nicht nur den pompösen Parteitag der Demokraten eine Woche zuvor im Handumdrehen in den Schatten stellte und die Umfragewerte für die Republikaner kurz danach etwas nach oben trieb. Sarah Palin, die noch aus der Schulzeit in Anlehnung an den Raubfisch den Spitznamen „Sarah Barracuda“ trägt, ist blitzgescheit und eine Kämpferin mit fundamentalen christlichen Werten. Dazu – das geben selbst politische Gegner zu – versprüht die ehemalige Schönheitskönigin einen gewissen Sex-Appeal. Auch viele der Stimmen der weiblichen Wähler in den USA wollen die Republikaner mit Palin als Vize-Kandidatin gewinnen.

Sie ist bekennende Christin, Mitglied einer Pfingstgemeinde namens „Assembly of God“ in ihrem Heimatort Wasilla. Entsprechend vertritt sie die klassischen Werte der Republikaner. Sie ist „pro life“ wie es in Amerika heißt, wenn man gegen Abtreibung ist, und wünscht sich, dass in Schulen neben der Evolutionstheorie auch die Schöpfungslehre als Alternative gelehrt wird. Die 44-Jährige gilt als „Supermom“, weil sie fünf Kinder bekommen hat und trotzdem den Staat Alaska führte. Außerdem ist sie Mitglied in der „National Rifle Association“, die sich für die Beibehaltung des Gesetzes zum legalen Waffenbesitz einsetzt. Der konservative Radio-Talker Rush Limbaugh sagte über Palin: „Palin = Guns, Babies, Jesus.“

Suche nach Schmutz

Kein Wunder, dass eine solche Frau das gegnerische Lager in Aufruhr versetzt. Und auch die deutschen Medien, die sich mehr oder weniger offenherzig hinter Obama gestellt haben, versuchen derzeit, die bösen Seiten der quirligen Republikanerin zu finden. „Welt“-Autor Torsten Krauel preschte am Mittwoch vor. „Eine wahre Flut an Fakten und Informationen“ seien „in den vergangenen 36 Stunden fast im Minutentakt über Sarah Palin zutage gefördert“ worden, die ihr zum Verhängnis werden könnten, schreibt Krauel. Dass es sich dabei größtenteils um Gerüchte handelt, verschweigt er zwar nicht, ist für ihn aber kein Grund, alle jene Schmutzecken zu beleuchten. So habe sich Palin etwa „in die Nähe radikaler Prediger begeben“, schreibt der „Welt“-Autor. Am 8. Juni, also drei Monate, bevor sie ins Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit kam, sprach Palin in ihrer Gemeinde in Wasilla vor Studenten. Eine Kamera lief mit, das Video gelangte ins Internet. Palin, deren eigener Sohn Track am 11. September als Soldat in den Irak ziehen wird, redete in ihrer kurzen Ansprache auch über den Irak. „Betet für unsere Frauen und Männer des Militärs, die bemüht sind das zu tun, was richtig ist. Betet auch für dieses Land, und dass unsere Leiter (die US-Soldaten) in eine Aufgabe schicken, die von Gott ist. Das ist es, was klar sein muss, dass wir dafür beten, dass es einen Plan gibt, und dass dieser Plan Gottes Plan ist.“ So weit, so gut.

Der „Welt“-Autor folgert daraus: „Palin hat im Juni den Irak-Krieg als ‚Gottes Plan‘ bezeichnet.“ „Etliche Predigten aus diesen Kirchen“ seien nun bekannt geworden, „die für Palin ein Problem werden könnten“. „Mit energisch glockenhellem Ton“ habe Palin ihre Gedanken „eher aneinandergereiht als präzise dargelegt“, so Krauel weiter. Das dürfte ihm weniger verwunderlich vorkommen, wenn er bedenken würde, dass es der Mitschnitt einer Rede ist, die Palin auf Einladung ihres Pastors in der Gemeinde gehalten hat und die sicher nicht als Bewerbungsvideo für die Kandidatur der Vizepräsidentschaft gedacht war. Dass es eigentlich nicht korrekt ist, diesen Videomitschnitt als Waffe gegen Palin einzusetzen, gesteht Krauel dann auch ein: „Fairerweise“ müsse man ja doch sagen, dass die Äußerungen eigentlich bloß die einer besorgten gläubigen Mutter seien, deren Sohn bald in den Krieg ziehen werde. Auch sei Palin ja im Grunde für einen Abzug aus dem Irak. Aber dennoch, so Krauel: „Die Demokraten haben mit ihrem Grußwort ein interessantes Zitat zur Verfügung, das sie gegen die Republikaner einsetzen können.“

Gemeinde wird durchleuchtet

Der Senior Pastor der „Assembly of God“ in Wasilla, Ed Kalnins, der die Gemeinde seit 1999 leitet, bezeugt in demselben Video: „Als ich die Bürgermeisterin von Wasilla traf, sah ich: diese Bürgermeisterin liebt Jesus. Sie ist eine Nachfolgerin von Jesus Christus. Als sie zur Gouverneurin gewählt wurde, wusste ich: das ist die richtige Person.“ Der Gründer der Gemeinde, Paul Reilly, hat Palin zum Glauben geführt und sie und ihre ganze Familie getauft. Palin selbst spricht vor den Studenten davon, dass Alaska wegen der Öl-Ressourcen zu den reichsten Staaten Amerikas gehöre. Doch all die Firmen könnten nichts Gutes erreichen, wenn die Herzen der Menschen nicht mit Gott wären.

Zu gerne würden McCain-Gegner, ob aus der Politik oder im Journalismus, ähnlich dunkle Stellen beim Pastor der Kandidatin finden wie es bei Obama der Fall war. Über Jahrzehnte hinweg war Pfarrer Jeremiah Wright der Pastor von Obamas Gemeinde, doch nachdem bekannt wurde, dass dieser eher politische Hetzreden denn erbauende Predigten hält, wurde der Druck auf den demokratischen Kandidaten so groß, dass dieser sich von Wright distanzierte.

Dass auch der Prediger David Brickner von der „Wasilla Bible Church“ im August eine Rede gehalten haben soll, in der er sagte, Jesus wolle den ungläubigen Juden ein Strafgericht angekündigt, bleibt im Dunkeln. Denkbar wäre es jedenfalls: Brickner ist nämlich Vorsitzender der Gruppe „Juden für Jesus“ – er ist also Jude und Christ und damit eigentlich besonders daran interessiert, Juden die Botschaft der Bibel zu verkünden. Dennoch könnte diese angebliche Predigt für die jüdischen Wähler „zu einem Thema werden“, so die „Welt“.

Schwangerschaft wird zum Politikum

Es war vor allem die Nachricht über die Schwangerschaft der 17-jährigen Tochter Bristol Palin, auf die sich die McCain-Gegner stürzten. Die Londoner Zeitung „Daily Mail“ schrieb sogar, Palin habe das Kind ihrer Tochter als ihr eigenes ausgeben wollen. „Ein schmutziger Trick“, so das Blatt. Solche „verrückten“ Gerüchte würden deutlich die bereits sehr dünne Linie dessen überschreiten, was an Privatem relevant für einen Wahlkampf sei, hieß es bald aus dem Wahlkampfbüro der Republikaner. Dem stimmte sogar Barack Obama zu. Nach den aufgeregten Gerüchten um Palins Enkelkind erklärte der Demokrat: „Ich will das ganz deutlich sagen: Ich finde, die Familien der Menschen gehören raus, und besonders die Kinder der Leute sind tabu. Das sollte kein Thema der Politik sein. Das hat keine Relevanz für das Agieren Palins als Gouverneurin oder für das mögliche Amt der Vizepräsidentin.“ Obama ist nicht ganz unbetroffen von der Thematik: seine eigene Mutter war ein unverheirateter 18-jähriger Teenager, als sie Obama bekam, und selbst deren Mutter war 19, als sie schwanger wurde. Ein Kommentator der „Washington Post“ merkt zudem stirnrunzelnd an: „Komischerweise werden die Jungen nie so behandelt. Es ist nie die Schuld des Jungen, oder?“ Dabei seien sie laut Studien eigentlich viel öfter „schuld“ am Zustandekommen von Teenager-Schwangerschaften. Abgesehen davon bleibt die Frage bestehen, inwieweit Mutter Palin für die Schwangerschaft ihrer Tochter verantwortlich gemacht werden kann.

Das jüngste Kind der Palins hat Down-Syndrom. Es ist bekannt, dass das Risiko einer Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom für eine Frau über 40 etwas erhöht ist. Sohn Trig ist mittlerweile fünf Monate alt und würde vielleicht nicht leben, wenn die Mutter liberaler in Sachen Abtreibung denken würde.

Die Nachricht, dass ihre 17-jährige Tochter Bristol im fünften Monat schwanger ist, rief hingegen bei Abtreibungsgegnern Begeisterung hervor: Wie schön, dass sie sich für das Kind entschieden hat und nicht für eine Abtreibung. Die Familie Palin erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, Bristol werde den Vater, einen 18-jährigen Highschool-Studenten namens Levi Johnston, in Kürze heiraten. Damit dürfte zumindest dieses Thema für die meisten potentiellen Wähler aus dem konservativen Lager erledigt sein. (PRO)

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