Evangelische Klöster erleben eine Renaissance. Warum Menschen wieder die Spiritualität suchen und wo die Konflikte des Zusammenlebens liegen, hat der Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Reinhard Bingener untersucht.
Eines der Beispiele, in denen das klösterliche Leben wieder im Aufbruch ist: Stift Fischbeck im Weserbergland
Der FAZ-Redakteur Reinhard Bingener hat sich auf die Suche gemacht und einige evangelische Klöster besucht. Seine erste Station ist das evangelische Stift Fischbeck Weserbergland. Dort leben acht Damen zusammen in einer Mischung „aus protestantischer Freiheit und monastischer Einkehr.“ Dabei komme es natürlich auch zu Konflikten, erzählen die Bewohnerinnen. Jede von ihnen führt ihren eigenen Haushalt. Die Frauen müssen alleinstehend sein, aber kein Gelübde ablegen.
Das geistliche Leben hat für die Stiftsdamen einen hohen Stellenwert: „In die Zukunft weist allein der geistliche Weg, sonst werden wir eine Wohngemeinschaft“, sagt eine der Bewohnerinnen. Sie können das Stift durch ihre Begabungen prägen, sei es musikalisch oder künstlerisch. Ein weiteres der 15 Frauenklöster der Region befindet sich in Wenningsen. Die Einrichtung stand kurz vor dem Aussterben. Mittlerweile gehören dem Konvent wieder neun Frauen an, von denen allerdings nur drei im Kloster leben. „Ihren geistlichen Weg müssen die Frauen im Alltag selbst gehen“, bilanziert Bingener. Sie kämen aber zu einer Einkehrwoche und zu weiteren Wochenenden zusammen.
Einen geeigneten Weg finden
Gabriele-Verena Siemers hat sich für Wenningsen entschieden und ist dort Äbtissin. Wo früher eher der Versorgungsauftrag der Klöster im Vordergrund stand, definiere man sich heute über den spirituellen Weg. Dieser liege zwischen Freiheit und Bindung, zwischen Innovation und Traditionen und zwischen Säkularität und Sakralität. Ebenso gebe es Verlangen nach Gemeinschaft, die aber Raum für Individualität lässt. Das Kloster sei kein Ort um sich fallenzulassen. Bei der anstehenden Arbeit gehe es darum, viel aufeinander zu hören.
Vor der Entscheidung in eine solche Gemeinschaft einzutreten, steht Anette Wöltje. Die geschiedene Lehrerin steht kurz vor ihrer Pension. Sie war zum Probewohnen in einer Kommunität. „Man hat eine Aufgabe, lebt nicht nur so dahin, sondern ist gefordert“, stellt die Pädagogin fest. Obwohl ihr Freundeskreis skeptisch ist, ob dies der richtige Schritt ist, möchte sie in ihrem Ruhestand in den Norden ziehen.
Für Bischof Jürgen Johannesdotter, der die Aufgabe des sogenannten Kommunitätenbischofs wahrnimmt, sind diese Einrichtungen ein Geschenk: „Da wächst der Kirche etwas zu. Sie erntet, wo sie gar nicht gesät hat“, findet der Theologe. Durch die Kommunitäten sei ihm um die Zukunft der Kirche nicht mehr so bange. Sie seien zum einen frei von der Kirche, aber auch frei für die Kirche. Ihren Erfolg sieht er im Niedergang der Kirchen im Allgemeinen. Wo Kirche an Kraft verliere, entstünden die Gemeinschaften.
Bingener ist sich nicht ganz sicher, ob sich die Menschen nicht mehr dauerhaft binden wollen oder ob die einfache Mitgliedschaft in der Kirche vielleicht doch zu wenig Bindungskraft habe. Äbtissin Katrin Woitack vom Stift Fischbeck werde häufig gefragt, ob es so etwas auch für Männer gebe. „Wir sind uns bewusst, dass wir hier sehr privilegiert leben“, erklärt sie. Mit jetzt acht Bewohnern könnten sie auch neue Dinge andenken und das geistliche Leben vertiefen: in der Hoffnung nicht die letzte Generation des Klosters zu sein. (pro)
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