Filmkritik

Ein Wunder geht noch: Film zeigt evangelikale Missionare im Amazonas

Schauspielerin Helena Zengel wurde durch den Film „Systemsprenger“ bekannt. Nun spielt sie in „Transamazonia“ die Tochter eines evangelikalen Predigers, die durch Handauflegen heilen kann. Er startet am 15. Mai in den Kinos.
Von Anna Lutz

„Transamazonia“ ist ein Film über Wunder, Glaube, menschliche Niedertracht und die Abholzung des Regenwaldes. Falsch liegt, wer im Film von Pia Marais eine Abrechnung mit evangelikalen Missionaren erwartet. Auch wenn ein Heilungsgottesdienst gleich zu Beginn mit allerhand verklärt die Hände hebenden Gläubigen es erstmal so wirken lässt. 

Doch zunächst die Geschichte: Rebecca (Helena Zengel) hat als junges Mädchen einen Flugzeugabsturz im Amazonas-Regenwald überlebt. Alle anderen Insassen starben. Rebecca galt zunächst als verschollen. Als sie dann durch die Hilfe eines indigenen Bewohners der Gegend gerettet und in ein Krankenhaus gebracht wird, sind die örtlichen Medien voll von ihr. Sie gilt fortan als Wunderkind, das die Tragödie wie durch Zauberhand überstanden hat. 

Gottesdienst in baptistischer Missionsstation

Zu nutzen weiß das ihr Vater, der Missionar Lawrence (Jeremy Xido). Neun Jahre nach den Geschehnissen beginnt die eigentliche Handlung des Films, der Zuschauer trifft Lawrence und Rebecca bei einem von ihnen organisierten Gottesdienst. Sie leben nach wie vor im Amazonasgebiet, genauer in einer Missionsstation, die einst Baptisten gehörte.

Dort tritt Lawrence als charismatischer Prediger, gern auch mal singend mit Gitarre, vor die einheimischen Besucher, spricht über Gottes Liebe und dessen Heilungskraft, um dann Rebecca als lebenden Beweis für Gottes Gnade auf die Bühne zu holen. Zu allem Überfluss scheint sie mit der Fähigkeit ausgestattet zu sein, Menschen zu heilen. Zumindest jene, die wirklich daran glauben. Auf diese Weise wollen Vater und Tochter ihre Besucher zu Gott bringen – und so viele Spenden sammeln, dass sie überleben können. 

Foto: 2024 Mathieu De Montgrand/ Pandora Film
Lawrence und Rebecca bei einem Heilungsgottesdienst

Doch ihr direkter Lebensraum ist bedroht: Der Betreiber eines Sägewerks holzt Bäume ab, ausgerechnet in dem Gebiet, in dem die meisten der indigenen Gottesdienstbesucher leben. Als die Lage zu eskalieren droht, weil letztere die Wege der Arbeiter blockieren und diese um sich schießen, macht Lawrence einen Deal: Rebecca soll die schwerkranke Frau des Sägewerkbetreibers heilen und im Gegenzug werden die Baumfällarbeiten eingestellt. 

Klischees ausgespart

Auch wenn das Drehbuch von „Transamazonia“ hier und da ein paar wilde Schlenker macht, ist der Film allein deshalb sehenswert, weil er kaum eines der gängigen Klischees bestätigt, das Zuschauer im Kopf haben werden, wenn sie an evangelikale Missionare im Regenwald denken. Was für eine Wohltat. 

Zwar sind Lawrence und Rebecca im christlichen Spektrum auf der pfingstlerischen Seite einzuordnen, was für unbedarfte Zuschauer zunächst kurios anmuten mag. Doch schnell wird deutlich: Diese beiden wollen weder ihre Gottesdienstbesucher abzocken, noch Indigenen ihre westliche Kultur überstülpen. Sie meinen es zunächst einmal gut mit ihrem Umfeld. Ganz im Gegensatz zu den Baumfällern, Einheimische übrigens und keineswegs von einem westlichen Großkonzern angeheuert, wie allzuoft in solcherlei Geschichten. 

Marais will eine andere Story erzählen. Sie fragt danach, wieviel Wunderglaube eigentlich hilfreich ist und wo er zur Belastung wird. Die Erzählung verkneift es sich dabei, letztendlich zu klären, ob Rebecca wirklich Wunder tun kann oder nicht. Das bleibt dem Zuschauer überlassen. Wohl aber wirft sie einen Blick auf die Motive des Missionars, der im Film darauf besteht, man müsse an etwas Gutes glauben, dann werde es auch wahr. 

Wie wichtig sind Wunder?

Erfindet er die Wundertaten seiner Tochter, um den Menschen Hoffnung zu geben? Oder werden sie wirklich geheilt? Durch Gott oder durch Selbstermächtigung? Scheitert er selbst am Ende mit seiner eigenen Geschichte an seinem Weltbild? Oder gewinnt er? Mit diesen Fragen darf jeder sich nach dem Kinobesuch selbst beschäftigen. 

Deutlich hingegen zeigt „Transamazonia“ den Druck, der auf Rebecca lastet, als klar wird, dass die Heilung eines Menschen zur Verhandlungsmasse geworden ist. Gelingt sie nicht, wird die Lage eskalieren, das macht ihr nicht nur Lawrence deutlich. So gesehen enthält der Film eine fast schon christlich anmutende Warnung: Souverän ist Gott und nicht der Mensch, der durch ihn berufen ist. Marais mag das nicht beabsichtigt haben, dennoch ist ihr Film eine Mahnung auch für Christenmenschen, seien sie in charismatischen Gemeinden beheimatet oder nicht.

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