Ein schmaler Grat: Käßmann auf dem Kirchentag

Zwischen Liebe und Verachtung liegt oft ein schmaler Grat. Margot Käßmann ist derzeit die große Hassliebe der Medien. Sie ist der Star des Evangelischen Kirchentages, niemand hat so viele Auftritte wie sie, niemand bekommt mehr Presse – und wohl auch niemand mehr Kritik. Am Freitag saß sie auf dem "Roten Sofa" des Presseverbandes der EKD.

Von PRO

Die "Tageszeitung" (taz) nannte sie jüngst "Margot Christ Superstar", und tatsächlich ist das, was sich derzeit auf dem Evangelischen Kirchentag abspielt, recht gut in diese drei Worte zu fassen. Käßmann ist der Star der evangelischen Christen. Als sie am Freitag auf die Bühne der EKD trat, begrüßte der Moderator sie mit den Worten: "Heute ist bei uns der Tag der Bischöfe." Zur Erinnerung: Margot Käßmann ist keine Bischöfin mehr, seit sie 2010 nach einer Alkoholfahrt von ihren Ämtern zurückgetreten ist. Das hat ihrem Ruhm keinen Abbruch getan, manche meinen, er hat die Karriere der Käßmann gar beflügelt. Das EKD-Mediazelt jedenfalls ist brechend voll, als die Buchautorin und ehemalige EKD-Ratsvorsitzende vor die Menschen tritt. Fans stürmen die Bühne, um sich ein Autogramm abzuholen, und als die Verammelten erfahren, dass die Frau, die das Oberhaupt der evangelischen Kirche sein könnte, Geburtstag hat, singen Sie spontan "Viel Glück und viel Segen".

Mit Taliban beten?

Und das, nachdem die Ex-Bischöfin zuletzt stark kritisiert worden war. Populistisch sei ihre Bibelarbeit auf dem Kirchentag gewesen, schreiben die Journalisten. Käßmann hatte darin gefordert, dass man doch lieber gemeinsam mit den Taliban beten solle, statt Tanklaster in Kunduz zu bombardieren. Der "Spiegel" hatte Käßmann zuletzt mit einem kritischen Portrait bedacht. Nun schreibt "Spiegel"-Autor Matthias Matussek: "Ich kann dafür beten, dass Jesus Christus die Herzen noch der grimmigsten Taliban erleuchtet und mit der Botschaft des Friedens erfüllt. Auf dass sie davon absehen, weiterhin Krankenhäuser und Polizeistationen mit gehirngewaschenen jugendlichen Selbstmordattentätern in die Luft zu jagen. Aber gleichzeitig kann ich versuchen, die Taliban auszuschalten, sollte das Gebet kurzfristig nicht zur Entwaffnung und Verhinderung von Verbrechen führen. Oder, aus gegebenem Anlass, Osama bin Laden töten, wenn es nicht gelingt, ihn in der idealsten aller Welten vor ein Gericht zu stellen. Gott ist nicht nur ein Gott der Liebe, sondern auch ein Gott der Gerechtigkeit. Beten und Bomben, ja, das geht!"

Matussek rede sowieso nur "süffisant" über sie, sagt Käßmann, darauf angesprochen, am Freitag im Zelt der EKD und verteidigt ihre Aussage. Man müsse Mut haben, den Feind anzusehen, sagt sie. Auch die Taliban seien nicht der Teufel persönlich. Mit Waffen Frieden schaffen zu wollen, sei zu kurz gegriffen. Ohne Dialog gehe es nicht. Natürlich sei sie nicht die "Militärexpertin von Afghanistan", aber es müsse ihr als Christin gestattet sein zu fragen: Gibt es andere Formen der Konfliktbewältigung? Was wäre, wenn die Militärinvestitionen künftig in Friedensdienste flössen?

"Ich bin ja in der Kirche"

Es sind Sätze wie diese, die die Massen applaudieren lassen, wenn Käßmann spricht. Auf dem Kirchentag, dessen Historie eng mit der der Friedensbewegung verknüpft ist, ist das besonders sichtbar. Und Käßmann ist und bleibt authentisch. So berichtet sie auch am Freitag davon, wie ihr christlicher Glaube sie durch Höhen und Tiefen getragen hat, berichtet von ihrer Großmutter und lobt die Christen in Sachsen für ihren Mut, auch in der DDR die kirchliche Bewegung vorangetrieben zu haben. Und noch etwas muss man Käßmann wohl lassen: Sie ist schlagfertig. Auf die Frage, ob sie sich auf den deutschen Papstbesuch Ende des Jahres freue, antwortet sie: "Ich habe im September Urlaub." "Zieht es Sie zurück in die Kirche?", will der Interviewer im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft wissen. Käßmann: "Ich bin ja in der Kirche." Das kann man wohl sagen. (pro)

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