Ein riskanter Filmdreh

Ein Spielfilm – gedreht in Saudi-Arabien. Drehbuch und Regie – durchgeführt von einer saudischen Frau. Dieses ungewöhnliche Projekt haben die Berliner Produzenten Gerhard Meixner und Roman Paul auf den 65. Filmfestspielen in Cannes vorgestellt. Der Spielfilm "Wadjda" erzählt die Geschichte eines kämpferischen Mädchens in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Das deutsche Unternehmen "Koch Media" bringt den Spielfilm voraussichtlich im Frühjahr 2013 in die deutschen Kinos.
Von PRO

"Unmögliches macht sie möglich" schrieb "Die Zeit" vergangene Woche und meinte damit Haifaa al-Mansur, eine Drehbuchautorin und Regisseurin im radikal-islamischen Saudi-Arabien, einem Königreich, in dem Frauenrechte nicht bekannt und Familiendramen der Alltag sind. Dort produzierte Al-Mansur mithilfe der beiden deutschen Produzenten Meixner und Paul einen Spielfilm. Die Berliner sind durch ihre "Golden Globes"-Gewinnerfilme "Paradise Now" und "Waltz with Bashir" bekannt für ihre Gabe, schwierigen Filmstoff zu verwirklichen.

"Wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, den allerersten Spielfilm in einem Land gedreht zu haben, in dem Kinos verboten sind und Frauen und Männer in der Öffentlichkeit streng voneinander getrennt sind", erklärten die Berliner Produzenten auf einer Pressekonferenz in Cannes, wie der Südwestrundfunk (SWR) berichtete. "Haifaa al-Mansur gebührt hier außerordentlicher Respekt für ihren Mut, ebenso unserem Partner vor Ort, Amr al-Kahtani, ohne den die Dreharbeiten so nicht hätten realisiert werden können." Al-Kahtani macht gewöhnlich Serien für das saudische Fernsehen, berichtete "Die Zeit"-Reporterin Jana Simon. Durch seine Beziehungen in der Fernsehbranche konnte er nötige Genehmigungen zum Dreh des Filmes vom Kulturministerium einholen.

Die 38-jährige Regisseurin inszeniert in ihrem Spielfilm die Geschichte des Mädchens Wadjda: Auf dem Weg zur Schule kommt es täglich an einem Spielzeuggeschäft vorbei, in dem ein grünes Fahrrad ausgestellt ist. Von Tag zu Tag wächst der Wunsch in Wadjda, dieses Fahrrad zu besitzten. Dann könnte sie endlich dem Nachbarsjungen davonflitzen. Wadjda weiß, dass ihr als Frau das Fahrradfahren in dem islamischen Land verboten ist. Dennoch beginnt sie heimlich auf dem Schulhof, Mixkassetten zu verkaufen, um das Fahrrad bezahlen zu können. Die Geschäfte fliegen auf, aber Wadjda kämpft weiter für ihren Traum. Sie sieht ihre Chance, an Geld zu kommen, in dem Koran-Rezitationswettbewerb ihrer Schule, der mit einem hohen Preisgeld dotiert ist. Wadjda gewinnt, gibt ihren Wunsch dem Schulleiter gegenüber zu, worauf dieser ihr das Preisgeld verweigert.

Drehen unter strengen Religionsgesetzen

Mit dem Drama in Wandjdas Familie beschreibt die Drehbuchautorin und Regisseurin die Probleme des saudischen Familienalltags. "In Saudi-Arabien werden Frauen nicht wie Erwachsene behandelt", zitierte "Die Zeit" einen Saudi aus dem Filmteam. "Sie müssen begleitet, bewacht und beschützt werden. Wie ewige Kinder verharren sie in einem Stadium fortwährender Infantilität." Die Reporterin Simon schrieb: Frauen in Saudi-Arabien dürften wegen der Religionsgesetze nicht alleine reisen, nicht mit Männern zusammenarbeiten und nur in den Familienabteilen hinter einem Vorhang in Restaurants essen. Al-Mansur, die in den letzten Jahren in den USA gelebt hat, umgehe diese Regeln, mache Unmögliches möglich. Sie liebe die USA. Die Vereinigten Staaten seien das Maß der Dinge in Saudi-Arabien: einerseits religiöser Erzfeind, andererseits Vorbild in Konsum- und Lebensstil.

Weiterhin berichtete die Journalistin, dass die "Mutawa", die Religionspolizei im islamischen Land, die Dreharbeiten mehrmals gestoppt habe. Sie sei überall präsent. Jedes Mal, wenn die "Mutawa" auftauchte, musste Al-Mansur in dem Produktionswagen veschwinden, damit sie nicht erwischt wurde bei der gemeinsamen Arbeit mit Männern.

Aber nicht nur die Religionspolizei bereitete Schwierigkeiten am Filmset. Die Hälfte der Crew waren Saudis, die noch nie einen Filmdreh erlebt hatten. "Am Anfang waren die Saudis sehr verwundert, wie viel Zeit die Deutschen auf Licht, Ausstattungen und Schauspielarbeit zubrachten", erzählte die Regisseurin. Schauspieler kamen nicht pünktlich zum Drehstart, und fünfmal am Tag mussten die Dreharbeiten wegen der Gebete unterbrochen werden. "Der deutsche Produzent hat sich auf seinem iPhone die Gebetszeit-App heruntergeladen. Den Deutschen geht es um Zeit, den Saudis um Tradition. Es ist ein stetiges Ringen."

Ein junger Schauspieler der Crew sagte gegenüber der "Zeit": "Ich will nicht, dass mein Land so strikt bleibt, wie es ist, aber auch nicht, dass es so locker wird wie im Westen." Sein Land lebe in einem Zwiespalt, daher sei das Debüt von Al-Mansur als Drehbuchautorin und Regisseurin so wichtig. Der Spielfilm "zeigt die saudische Wirklichkeit in all ihren Gegensätzen aus Sicht einer Einheimischen, aus Sicht einer Frau", meinte der Schauspieler.

Die deutsche "Razor Film Produktion GmbH" und Amr al-Kahtani von der saudischen "Highlook Group" produzierten in einer Zusammenarbeit den Film"Wadjda". Der NDR, der BR und der saudische Sender "Rotana" unterstüzten ebenfalls das Projekt. (pro)

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