Ein Plädoyer für die Ehrlichkeit



"Bewahren Sie sich als Journalist immer Ihre Ehrlichkeit. Machen Sie sich nie mit Menschen und Sachen gemein, über die Sie schreiben, auch nicht mit den Guten." Mit diesem Plädoyer eröffnete Hans Leyendecker, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", den Karl-Hermann-Flach-Disput 2011. Auf diese Weise könnten Journalisten und Politiker auch verhindern, dass Medien und Politik eine "gefährliche Liebschaft" eingingen.
Von PRO



Gemeinsam mit dem Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter und der früheren hessischen Kultusministerin Ruth Wagner diskutierte Leyendecker über den Einfluss der "Vierten Gewalt" im Staat und dem Zusammenspiel von Medien und Politik. Zu dem Disput hatte die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung in das Bad Homburger Schloss eingeladen. Moderiert wurde die Diskussion von Jan Fleischhauer, "Spiegel"-Autor und stellvertretender Leiter des Hauptstadtbüros.



Eine Absage erteilte Leyendecker dem negativen Kampagnenjournalismus: "Es kann nicht sein, dass wir jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treiben, nur um die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen. Lassen Sie uns ruhig bleiben und damit Erfolg haben", erklärte der bekennende Katholik. Leyendecker, der bis 1997 für den "Spiegel" schrieb, gilt als einer der Vorreiter des investigativen Journalismus in Deutschland und deckte unter anderem die Flick-Affäre um verschwundene Parteispenden auf. Als Leitender Politischer Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" machte er die Spendenaffäre um den früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl publik.



Bei vielen Journalisten in der heutigen Zeit habe er den Eindruck, dass sie nur das Ziel hätten, "Menschen zu jagen und zu erlegen" und so gute Geschichten zu liefern. Ein Dilemma ist für Leyendecker auch eine Tatsache, die man am Mediendienst "Mediatenor" ablesen könne. Dieser veröffentliche zwar die Anzahl der Exklusivmeldungen, die Medien gebracht hätten: "Dabei erklärt das Institut aber nicht, ob die Meldungen richtig oder falsch sind", mahnt er.



Machterhalt geht nicht ohne ethische Konflikte



Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter erläuterte, dass sowohl eine Arroganz der Medien gegenüber der Politik bestehe als auch umgekehrt. Medienvertreter forderten von Politikern oft ein ethisches Verhalten, "obwohl jedem klar sein dürfte, dass der reine Ethiker in der Politik überfordert ist". Falter argumentiert weiter: "Macht zu gewinnen und zu erhalten geht nicht, ohne ethische Konflikte einzugehen." Als bedenklich stufte es der Wissenschaftler auch ein, dass Journalisten meist Journalisten als Freunde hätten: "Dadurch fehlt vielen der Blick für die vielen Facetten der Lebenswirklichkeit."


Eine ähnliche Beobachtung machte die FDP-Politikerin Ruth Wagner auch für ihren Berufsstand: "Der Terminplan von Politikern ist so voll, dass sie die Welt um sich herum nicht mehr mitbekommen. Aus meiner Sicht ist es deswegen für jeden Politiker wichtig, vorher in einem anderen Beruf (Lebens)-Erfahrung gesammelt zu haben." Wie nahe Verdammung und größte Lobeshymnen der Journalisten beieinander lägen, berichtete Ruth Wagner aus eigener Erfahrung. Von einem "Journalisten" wurde sie einmal als die "politische Konkubine Roland Kochs" bezeichnet, wenig später sei sie aber von den Medien in den Himmel gelobt worden, weil sie gegen alle Widerstände eine Koalition mit dem CDU-Politiker abgelehnt habe.

"Ein Schmiergeld namens Nähe"


Politikwissenschaftler Falter bemängelte zudem, die häufig fehlende Distanz beider Professionen. Der Journalist Peter Zudeick habe dies einmal treffend als "Schmiergeld namens Nähe" bezeichnet. Selbst in der Hauptstadt Berlin, die deutlich größer als die vorherige Hauptstadt Bonn ist, träfen sich Journalisten und Politiker tagaus tagein und wahrten kaum die gebotene Distanz. Aus Falters Sicht sei die Bestechlichkeit durch Informationshäppchen auf beiden Seiten ein ständiges Geben und Nehmen.

"Wenn der Freund eine Sauerei macht, muss ich als Journalist auch darüber berichten", ergänzte Leyendecker. Er sehe die Journalisten nicht als "Vierte Gewalt" sondern als die "Vierte Macht" im Staate. Die Medien seien eine Kontrollorgan im Sinne der Aufklärung und Transparenz, ohne die eine Demokratie nicht funktioniere. Deswegen müsse sich jeder so verhalten, wie es seiner Rolle entspreche, wurde er von Falter unterstützt.



"Jeder Normalbürger wird repräsentiert"

Auch über die ethische Komponente "erstunkener und erlogenener Geschichten" diskutierten die Podiumsteilnehmer. "Wir dürfen Pressegesetze nicht zu eng fassen, dass so etwas nicht mehr möglich sein könnte. Dann wäre es keine Pressefreiheit mehr", mahnte Falter an. Auf die Frage, ob es Unterschiede zwischen einer öffentlichen und einer veröffentlichten Meinung gebe, antwortete der Wissenschaftler, dass Printmedien ja nicht die einzige Informationsquelle der Menschen seien: "Wir werden erschlagen von einer Meinungsvielfalt in den Medien. Dies driftet soweit auseinander, dass sich jeder Normalbürger immer repräsentiert fühlen kann", fügte Falter hinzu. "Wir haben normalerweise ein Publikum, das in seinem Weltbild bestätigt werden will. Wenn ich dann durch meine Arbeit zu anderen Ergebnissen komme, stoße ich bei meinen Lesern auf Widerstand, weil ich nicht die Erwartungen erfülle, die ich eigentlich erfüllen sollten", beschrieb Leyendecker die Sachlage.



Herbert Hirschler hatte im Namen der Friedrich-Naumann-Stiftung bei seiner Begrüßung betont, dass der Namensgeber des Disputs das Wechselspiel zwischen Politik und Journalismus beherrscht habe. Flach war in seiner politischen Karriere Bundesgeschäftsführer der FDP. Nach inhaltlichen Differenzen zog er sich aus der Politik zurück und trat als Redakteur in die Frankfurter Rundschau ein, die er maßgeblich mitprägte. Später kehrte der Liberale als Generalsekretär in die Politik zurück und war ab 1972 bis zu seinem plötzlichen Tod 1973 Bundestagsabgeordneter. (pro)

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