Ein „kritischer Katholik“ über Evangelikale

In einer ganzseitigen Reportage berichtet "Die Zeit" am heutigen Donnerstag über "junge deutsche Evangelikale". Der Autor beschreibt "als kritischer Katholik" seine Erfahrungen während des "Gemeindeferienfestivals Spring". Sein Fazit: Evangelikale sind keine Fundamentalisten und erstaunlich tolerant – auch wenn ihre Veranstaltungen für Außenstehende oft etwas aufgesetzt wirken.
Von PRO

Im dritten Teil der "Zeit"-Serie "Die Zukunft der Religion" dreht es sich um junge deutsche Evangelikale, die der Autor Kilian Trotier beispielhaft anhand von "Spring" beschreibt. Sie fühlten sich besonders durch zwei Überzeugungen miteinander verbunden: Christen seien "keine Ewiggestrigen" und lebten "ihre Beziehung zu Jesus gerade in der modernen Eventgesellschaft aus". Außerdem genieße die Bibel höchste Autorität. "Der Mensch muss sich seiner Sündhaftigkeit und Schuld bewusst sein, allein durch die Gnade Gottes sind wir gerechtfertigt, und der Befehl zur Verkündigung des Evangeliums in aller Welt ist für uns alle bindend", schreibt Trotier.

In Willingen, wo sich in der Woche nach Ostern mehrere tausend Christen zu "Spring", das von der Deutschen Evangelischen Allianz organisiert wird, getroffen hatten, besuchte Trotier einige Seminare. Er schreibt, wie fremdartig ihm der Workshop "Schwimmen und Beten" mit wasserfesten Bibeln vorkam. Und wie er in einem Seminar über Evangelisierung nicht wusste, was er von einer "Umfeldanalyse in der Ortsgemeinde" zu halten habe, die das Ziel habe, festzustellen, "wer wo zu bekehren ist". Andere Aspekte entsprächen seiner "tiefen Überzeugung", zum Beispiel, "dass der diakonische Dienst am Nächsten immer ein Selbstzweck" sei. "Unwohl" sei ihm bei der Missionsstrategie einer Referentin geworden, die eine Gemeinde in Karlsruhe gegründet hat. Die "Laienpastorin" habe mit ihrem Mann spezielle Veranstaltungen ausgerichtet, weil in der Gemeinde zu wenige Männer gewesen seien: "Boxkampf, Baggerfahren und Gabelstaplerrennen". Trotier nennt das "zynisch": "Wir machen das, was niemand in der Kirche erwartet, und bringen die Leute durch die Hintertür zum Glauben. Doch zu welchem Gottesverständnis führt solch ein Weg?"

Evangelikale sind keine Fundamentalisten

Die Evangelikalen seien keine Extremisten und Fundamentalisten. "Aber auf mich, den Außenstehenden, wirken sie wie Schauspieler, die Spring zu einem fortwährenden Glaubenstheaterstück machen", schreibt Trotier. Überrascht zeigt sich der Autor von den Teilnehmern des Seminars "Homosexualität: Meinungsbildung & Bibelbezug". Alle Anwesenden seien sich einig, dass "Homosexuelle als vollwertige Mitglieder in jede christliche Gemeinschaft aufgenommen werden sollten". Meinungsunterschiede habe es erst bei der Frage gegeben, ob Homosexuelle kirchlich heiraten dürfen. Ausgerechnet das Seminar zum Thema Homosexualität habe "mein persönliches Spring durcheinandergewirbelt", schreibt Trotier. Vorher habe er gedacht, Evangelikale seien zwar "wunderbar freundliche Menschen, (…) deren telegene Glaubensformen mich aber nicht näher zum Glauben führen und deren Wertkonservatismus" ihn wie in der eigenen katholischen Kirche störe. Diese Ansicht sei ins Wanken gekommen. Trotier kommt zu einem nachdenklichen Schluss. Er fragt sich, ob "die allzu emphatisch vorgetragene evangelikale Erzählung vom liebenden Gott (…) in der praktischen Umsetzung manchmal doch ehrlicher ist als unsere im Gottesdienst routinisierte, die ich mein Leben lang eingeübt habe". (pro)

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