Ein Jahr nach Winnenden: Köhler ermahnt Medien

Am 11. März tötete Tim K. in Winnenden 15 Menschen. Angehörige und Zeugen der Tat leiden bis heute unter den psychischen Folgen des Erlebten. Doch auch die Politik diskutiert bis heute über geeignete Konsequenzen aus Winnenden. Ein Jahr danach hat Bundespräsident Köhler eine bessere Gewaltprävention gefordert.

Von PRO

"113 Kugeln kalte Wut" hatte das Magazin "Der Spiegel" wenige Tage nach dem Amoklauf von Winnenden getitelt. Am 11. März hatte der 17-jährige Tim K. an der Albertville-Realschule acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen erschossen. Auf seiner Flucht tötete er drei weitere Menschen und schließlich sich selbst. Die Tat hat nicht nur die Angehörigen der Opfer traumatisiert. Bis heute diskutiert ganz Deutschland darüber, wie Gewalt an Schulen verhindert werden kann. Das Land fragt sich, woher die "kalte Wut" eines 17-Jährigen stammt und es fragt nach der Rolle der Medien.

Bei der Gedenkfeier am Donnerstag in Winnenden sagte Bundespräsident Horst Köhler: "Wir brauchen klar definierte Berichterstattungsregeln, die gemeinsam mit den Medien erarbeitet werden; wir brauchen einen medienübergreifenden Pressekodex im Geist der Prävention." Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass detaillierte Berichte über die Täter Nachahmer auf den Plan rufen. Köhler sagte weiter: "Es kann auch viel geschehen – noch mehr als bisher – damit gefährdete Menschen nicht an Schusswaffen gelangen und Schulen und ähnliche Orte noch besser vor Anschlägen geschützt sind."

900 Menschen gedenken Getöteten

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit waren rund 900 Schüler, Lehrer und Hinterbliebene am Donnerstagmorgen zum stillen Gedenken an die Opfer in eine Halle gegenüber der Albertville-Realschule gekommen.  Auf einer Videoleinwand sollen Bilder zu sehen gewesen sein, die an die Getöteten erinnerten. Um 9.33 Uhr, dem Zeitpunkt des Verbrechens vor einem Jahr, bildeten die Trauernden eine Menschenkette an der Schule. Zeitgleich läuteten die Kirchenglocken in Winnenden. Der ganze Ort hielt zu einer Gedenkminute inne.


Im Vorfeld des Jahrestages hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft  kritisert, dass politische Versprechen bis heute nicht erfüllt worden seien. "Deutschlands Schulen sind leider nach wie vor keine sicheren Orte. Wir brauchen endlich ein flächendeckendes Frühwarnsystem", sagte der Vorsitzende, Rainer Wendt, am Freitag der "Neuen Osnabrücker Zeitung". In jede Schule gehörten mindestens ein Sozialarbeiter und ein Psychologe, die Probleme der Schüler frühzeitig erkennen könnten.

Politiker streiten um Konzepte

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach sagte dem Sender "n-tv", die Schulen seien sicherer geworden. "Aber wir werden unsere Schulen nicht ganz abschotten und so sicher machen können, dass schulfremde Dritte niemals Zutritt bekommen werden", zitiert ihn das Magazin "stern". In den letzten zehn Jahren sei das Waffenrecht drei Mal zum Teil erheblich verschärft worden.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff erklärte laut "stern", die Mordtaten nach dem Amoklauf hätten deutlich gemacht, dass es kein einfaches Rezept für den Schutz gebe. "Es ist vor allem eine neue Kultur des Hinsehens gefordert, die Zugang zu Menschen findet, die sich absondern", sagte Wolff.

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, forderte im "Saarländischen Rundfunk" weitere Gesetzesverschärfungen: "Es ist wenig, viel zu wenig geschehen, ein Jahr nach Winnenden." Weiter sagte er: "Immer noch werden todbringende Waffen in Privathaushalten gelagert, und wir Grünen fordern, dass damit endlich Schluss ist."

Während die Politik zum Jahrestag des Attentats ihren Streit um Waffenrecht und Gewaltprävention fortführte, legten Schüler vor der Realschule Gedenkplatten und Blumen nieder. Mit Zukunftswünschen beschriftete Kieselsteine sollten einen "Weg in die Zukunft" symbolisieren. Um eine ruhige Trauerfeier zu garantieren, sollen 300 Polizisten, viele in ziviler Kleidung, im Einsatz gewesen sein. (pro)

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Winnenden_Schule_09_(RaBoe).jpg
http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode
http://www.bundespraesident.de/-,2.662605/Ansprache-von-Bundespraesident.htm
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