Ein Hungernder ist einer zuviel

Die Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank (DZ Bank) wird in Zukunft keine Spekulationsgeschäfte mit Nahrungsmitteln mehr machen. Dass sie sich dazu entschlossen hat, entsprechende Wertpapiere und Agrar-Derivate einzustellen, ist ein richtiger Schritt – auch wenn Nahrungsmittelspekulationen längst nicht nur schlecht sind.
Von PRO

Nach sieben fetten Jahren kommen sieben magere Jahre, träumt der ägyptische Pharao im ersten Buch Moses und ordnet an, Vorräte für die Allgemeinheit anzulegen, damit „das Land nicht vor Hunger verderbe“. Die Vorräte dienen dem Überleben aller, nicht der Bereicherung einzelner.

Dass bestimmte Finanzgeschäfte aber genau dies bewirken und für Hungerkrisen verantwortlich sind, werfen Kritiker denjenigen vor, die spekulative Geschäfte mit Agrarrohstoffen betreiben. Die Spekulanten tragen, nach Meinung der Kritiker, eine Mitverantwortung für Hungerkatastrophen und den Tod der Ärmsten.

Es wäre naiv, diese Stimmen zu ignorieren. Tatsächlich sind exzessive Spekulationen eine Gefahr für die Märkte, weil sie zu extremen Preisschwankungen führen können. Zwischen 2003 und 2011 verzehnfachte sich das Anlagevolumen in Agrarrohstofffonds. „Die Preisexplosion bei Nahrungsmitteln im Jahr 2008 trieb mehr als 100 Millionen Menschen in den Hunger“, teilt die Hilfsorganisation Oxfam mit.

Es wäre aber ebenso naiv, Agrarspekulationen ausschließlich negativ zu bewerten. Immerhin versorgen sie die Märkte für Agrarrohstoffe mit Liquidität und geben den Landwirten Planungssicherheit. Ein Getreideproduzent, der sich verpflichtet, über einen bestimmten Zeitraum eine bestimmte Menge Getreide zu liefern, kann mit einem ihm garantierten Preis kalkulieren, den der Käufer ihm zahlen wird. Das hilft ihm bei der Planung.

Außerdem sollte niemand außer Acht lassen, dass die Gründe für Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln so vielfältig wie die Produkte selbst sind: Schlechtes Wetter beeinflusst Ernteausfälle und führt zu einem geringeren Angebot. Wird Biosprit gefördert, werden mehr Agrarrohstoffe hierfür verwendet und nicht mehr zu Lebensmitteln verarbeitet. Außerdem wird das Angebot geringer, wenn die Anbaufläche als Folge des Klimawandels weniger wird.

Sinkt das Angebot und steigt die Nachfrage, steigen auch die Preise. In einem Land wie Deutschland, in dem Menschen etwa 15 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel ausgeben, ist das kein Problem. In manchen Schwellen- und Entwicklungsländern investieren Menschen aber einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens in ihr tägliches Überleben. In Nigeria zum Beispiel geben Menschen fast drei Viertel ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Steigen die Preise für Nahrungsmittel, können solche Menschen ihr Essen nicht mehr bezahlen und hungern.

Wie groß der Einfluss ist, den die Spekulanten tatsächlich am Hunger haben, ist umstritten. Fest steht: Wenn Spekulationen nur einen einzigen Menschen in existenzielle Schwierigkeiten bringen, wäre dies einer zuviel. Gut also, dass sich nun eine Bank mehr dazu entschieden hat, aus dem Segment auszusteigen. Wie gut wäre es, wenn der größte Player, die Deutsche Bank, diesem Beispiel folgen würde. (pro)

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