Ein „grasses“ Religionsverständnis

Eine Nähe zur Religion kann man dem deutschen Schriftsteller Günter Grass wahrlich nicht nachsagen. Trotzdem durchziehen christliche Motive seine Werke. An diesem Wochenende beschäftigt sich in Köln erstmals ein Kongress mit dem Thema.


Von PRO

Anlässlich des 85. Geburtstags des Literatur-Nobelpreisträgers gibt es auch eine Ausstellung mit dem Titel "Von Katz und Maus und mea culpa". Eine der vielleicht bekanntesten religiösen Szenen stammt aus Grass‘ "Blechtrommel": Die Hauptfigur des Romans Oskar Matzerath drückt dem Jesuskind spaßeshalber sein Schlagwerkzeug zwischen die Ärmchen, woraufhin die Gipsfigur zu trommeln beginnt und dabei etliche Schlager zum Besten gibt. Oskar antwortet darauf hin: "Jesus, so haben wir nicht gewettet. Sofort gibst du mir meine Trommel wieder. Du hast dein Kreuz, das sollte dir reichen!"

Grass selbst erzählt, dass er bis zum 19. Lebensjahr gläubig im katholischen Sinn erzogen wurde: "Da fing es an abzubröckeln", zitiert ihn die dpa. 1974 trat der ehemalige Messdiener aus Protest gegen die Haltung der Bischöfe zum Abtreibungsparagrafen 218 aus der Kirche aus. "Was er beibehalten hat, ist das christliche Menschenbild", erläutert sein Biograf Volker Neuhaus im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Der Germanistik-Professor meint: "Dass der Mensch unvollkommen ist, dass der Mensch gefallen ist. Er hat vom Frühwerk bis zum Spätwerk das Dogma von der Erbsünde übernommen. Was er ablehnt, ist die Lehre von der Sündenvergebung und der Auferstehung Christi."

Bußprediger einer säkularen Welt

Gleichwohl es keinen Ausweg aus dem "Schlamassel" gebe, sei der Mensch verantwortlich für das, was er tut. Aus Sicht des Tagungsleiters Anselm Weyer  sei Grass ein "Bußprediger, der einer säkularen Welt eine jüdisch-christliche Kernbotschaft" verkünde. Zentral für ihn sei dabei die Bergpredigt. In jedem Fall liebe Grass die biblische Bildsprache mit Schuld und Sühne und ganz besonders die Apokalypse. Sein autobiografisches Werk "Beim Häuten der Zwiebel", in dem er 2006 seine SS-Vergangenheit offenlegte, gleiche einer Beichte, so Weyer.

Die Grass angelastete Gotteslästerung ins seinen Werken, relativiert Neuhaus als "vorschnell". So hebe seine groteske Darstellung einer gekreuzigten Ratte gerade hervor, was den Menschen vom Tier unterscheide: die Fähigkeit zum Guten wie zum Bösen – das Kreuz als Essenz des Menschlichen sozusagen. Neuhaus, der im Ehrenamt immer wieder in der evangelischen Kirche predigt, benutzt dabei auch Texte von Grass: Vor allem die "Predigt über den Zweifel" aus dem Roman "Ein weites Feld" werde von Theologen gern aufgegriffen. (pro /dpa)

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