Ein einsamer Tod für Gemeinschaft mit Gott

Karfreitag stirbt Jesus allein und verlassen am Kreuz. Gerade durch seinen einsamen Tod macht er Gemeinschaft möglich – zwischen Menschen und Gott. Karfreitag heißt deshalb heute: Gott ist da. Ein Impuls von Johannes Heinrich
Von PRO
Jesus hat durch seinen Tod alles überwunden, was die Menschen vor Gott unerträglich macht

Die offensichtlichste Verbindung zwischen Karfreitag heute und dem, was damals auf Golgatha geschah, ist sicher die Einsamkeit. Durch die Regelungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind viele Menschen gezwungen zu Hause zu bleiben, den Kontakt mit Freunden, Familie, Kollegen, Hausgemeinschaft oder Kaffeekränzchen zu meiden. Das ist nicht nur für Menschen ein Problem, die ohnehin schon mit psychischen Herausforderungen zu kämpfen haben. Weder Telefon noch Videotelefonie können die körperliche Nähe eines leibhaftig Anwesenden ersetzen. Viele Menschen leiden darunter, dass niemand sie umarmt, die Hand ergreift oder wenigstens neben ihnen sitzt. Und manchem fehlt dieser Beistand auch, wenn er im Krankenhaus stirbt.

Jesus hängt am Kreuz. Verlassen von seinen Jüngern. Sie sind geflohen. Petrus hat ihn verleugnet, Judas sogar verraten. Gerade eben saßen sie noch zum Festmahl beisammen. Aber schon in Gethsemane schafften es seine Jünger nicht, ihm Beistand im Gebet zu leisten. Und nun hängt er am Kreuz, allein. Freilich, da sind die Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt werden. Fremde Leidensgenossen. Ein Gespräch entsteht. Aber am Ende stirbt doch jeder für sich allein. Daran ändert auch die schaulustige Menge nichts. Die Sterbenden sind zur Schau gestellt, eine Attraktion.

Jesus – ein Wohltäter, gerade im Sterben

Nach Matthäus, Markus und Lukas sehen ein paar von Jesu Nachfolgern von Ferne zu. Auf Abstand, getrennt durch Spötter, Neugierige und Soldaten weinen und klagen sie. Im Johannes-Evangelium ist zumindest ein kleines Grüppchen in Rufweite: Jesu Mutter Maria, seine Tante Maria, die Frau des Klopas, Maria Magdalena und sein Lieblingsjünger stehen nah genug am Kreuz, damit er ihnen Weisung geben kann (Johannes 19,25). Denn nicht sie sind es, die ihn im Sterben trösten. Sondern er stirbt einen qualvollen Foltertod und kümmert sich währenddessen noch um andere Menschen: Seine Mutter vertraut er der Fürsorge seines Lieblingsjüngers an. Dem Mitgekreuzigten, der Jesu Unschuld und Macht sieht, schenkt er die Hoffnung, ihn nach diesem Leiden im Paradies wiederzusehen (Lukas 23,43). Und Jesus vergibt seinen Peinigern und Feinden. Für die Menschen, die nicht lange vorher schrien „Kreuzige ihn!“, bittet er nun: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34).

Der einsam sterbende Gottessohn ist selbst in seinen letzten Atemzügen ein Wohltäter, Hoffnung-Schenker und Schuld-Befreier. Das ist kein Helfersyndrom, sondern der Kern von Karfreitag. Denn noch konsequenter als diese Liebesworte vom sterbenden Jesus ist sein Tod selbst eine Wohltat für uns.

Für Menschen, die schon längere Zeit Christen sind, ist das oft selbstverständlich. Wer damit zum ersten Mal zu tun hat, für den gibt es da schon Fragen. Natürlich kennt man aus Filmen oder Geschichten Situationen, wo einer zugunsten eines anderen Menschen stirbt. Ich denke an dramatische Szenen, in denen eine Figur sagt: „Geht, lasst mich zurück, ich erledige das!“ Irgendein Knopf muss gedrückt werden, damit der Rest leben kann, und einer opfert sich eben. Und in vielen Filmen schafft dieser Held es dann doch noch. Aber das sind Filme.

Wissen Sie von jemandem aus Ihrem Umfeld, der zielgerichtet und bewusst für eine andere Person das Leben gegeben hat? Oder dem auf diese Weise das Leben geschenkt wurde? Die meisten Menschen geben ihr Leben ungern freiwillig her. Und wenn sie es für andere hergeben, dann doch am ehesten für die Menschen, die sie lieben: Kinder, Partner, Freunde.

Der Tod Jesu bringt die Gegenwart Gottes

Jesus nimmt den Foltertod wissentlich und willentlich auf sich. Wenn er freiwillig sein Leben für mich gibt, dann bin ich offensichtlich von ihm geliebt. Er erreicht damit Erlösung von dem, was mich für Gott unerträglich macht. Der Tod Jesu bringt Gottesgegenwart. Wenn das so ist: Wenn mich nichts mehr, also wirklich überhaupt nichts von der Gegenwart des liebenden himmlischen Vaters trennt – weder die Brüche in meinem Leben, noch die Schuld an anderen, noch Lieblosigkeit und Unbarmherzigkeit, die in Resten mein Innerstes bewohnen; wenn keine große oder kleine Sünde von Jesus vergessen wurde, mit ans Kreuz zu nehmen; wenn wirklich die für Gott unerträgliche Bosheit meines Herzens mit ihm gestorben ist – dann ist der lebendige Gott zweifellos bei mir.

Zu Karfreitag stehen wir am Kreuz und am geschlossenen Grab Jesu. In die Trauer und die Wut über den ungerechten Foltertod mischt sich die Gewissheit: Gott ist gegenwärtig. Jetzt. Hier. Im Vertrauen auf den verstorbenen Jesus Christus gilt für jede Situation, die wir meistern müssen: Gott ist gegenwärtig. Ob morgens allein in Quarantäne beim Kaffee oder auf der Intensivstation bei den letzten eigenen Atemzügen: Gott ist gegenwärtig.

Johannes Heinrich ist Pfarrer im thüringischen Sonneberg.

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