Ehrengastland der Buchmesse: Kritik an Türkei

Anlässlich der am Mittwoch beginnenden Frankfurter Buchmesse hat die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte scharfe Kritik an "fortbestehenden Menschenrechtsmissachtungen" in der Türkei geübt. Die Türkei ist in diesem Jahr Ehrengast der weltgrößten Buchmesse.
Von PRO

Zur Eröffnung der Messe sprechen am Dienstag Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der türkische Staatspräsident Abdullah Gül. Die literarische Eröffnungsrede hält der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk, Literaturnobelpreisträger 2006.

Die Türkei präsentiert sich unter dem Motto „faszinierend farbig“. Kulturminister Ertugrul Günay betonte anlässlich der Buchmesse: „Wir wollen die Türkei in all ihrem kulturellen Reichtum, in all ihren Farben zeigen.“

„Meinungsfreiheit wird durch Gummiparagraphen ausgehebelt“

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) mahnte in einer Presseerklärung zu Beginn der Buchmesse, die Schattenseiten der Türkei nicht außer Acht zu lassen. „In der Türkei wird die Meinungsfreiheit durch Gummiparagraphen des Strafgesetzbuches ausgehebelt und das christliche Kulturerbe unterdrückt“, so die IGFM, die gleichzeitig „die fortbestehenden Menschenrechtsmissachtungen in der Türkei“ kritisierte.

„Literatur-Nobelpreisträger Pamuk musste die Unterdrückung der Meinungsfreiheit am eigenen Leib erfahren. Er wurde wegen angeblicher ‚Herabsetzung der türkischen Identität und des Türkentums‘, Paragraph 301 des türkischen Strafgesetzbuches, angeklagt. Erst nach internationalen Protesten wurde das Verfahren gegen Pamuk im Januar 2006 eingestellt“, so die IGFM in ihrer Erklärung.

Der im Frühjahr 2008 durch den Ausdruck „Beleidigung der türkischen Nation“ geringfügig modifizierte Gesetzesartikel hebele die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei systematisch aus. Derzeit würden mehr als 150 auf Paragraph 301 basierende Verfahren geprüft und durchgeführt. „Unter den Angeklagten ist der Autor Temel Demirer, gegen den wegen öffentlichen Bekenntnisses zum Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 ermittelt wird.“ Die IGFM fordert daher die Abschaffung des Gesetzesartikels.

Unterdrückung christlichen Kulturerbes

Ein weiterer Verstoß gegen die Menschenrechte besteht laut der Menschenrechtsorganisation in der Unterdrückung des fast 2.000 Jahre alten christlichen Kulturerbes in der Türkei. „Die türkischen Behörden verbieten offiziell seit 1997 den Unterricht von Aramäisch in den Klöstern des Tur Abdin (Südost-Türkei). Trotz der Bitten von Politikern und Bischöfen lehnt die türkische Regierung auch im Paulus-Jahr die Errichtung einer Kirche im Paulus-Geburtsort Tarsus ab. Außerdem verhindern die türkischen Behörden die Öffnung des seit 1971 geschlossenen Priesterseminars der griechisch-orthodoxen Kirche auf der Prinzeninsel Heybeli“, so die IGFM. Der jüngste Vorstoß des Ausschussvorsitzenden des türkischen Parlaments, Necati Birinci, zur Türkisierung von Ortsnamen sei ein weiterer Schlag gegen die auch anlässlich der Buchmesse gelobte „Vielfalt“ des Landes.

Walter Flick, Referent für Religionsfragen der IGFM, forderte die Türkei auf, den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ anzuerkennen. „Auch Christen müssen in der Türkei uneingeschränkt ihre Kultur leben können, denn sonst wäre der EU-Kandidat ein islamischer und nationalistischer Club“, so Flick.

Die Frankfurter Buchmesse ist ab Mittwoch zunächst Fachbesuchern vorbehalten, am Samstag und Sonntag steht sie allen Literaturinteressierten offen. Auf der Messe werden mehr als 7.000 Aussteller aus mehr als 100 Ländern erwartet.

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