Die Ehrenamtlichen im Verkündigungsdienst der Evangelischen Kirche in Deutschland sind eine große Chance. Das zeigt eine aktuelle Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts (SI) der EKD. Dazu hat das SI vom 7. Mai bis 17. Juni 2019 Lektoren, Prädikanten, Pastoren, leitende Ehrenamtliche und Gottesdienstbesucher in der Hannoverschen Landeskirche in einer Online-Erhebung befragt. Die Zahl ihrer Einsätze zeigt, dass Prädikanten und Lektoren eine „systemrelevante Dimension“ haben.
Die Verbundenheit mit der Kirche drückt sich im hohen ehrenamtlichen Engagement aus. 84 Prozent der Befragten sind mindestens an einer weiteren Stelle in der Kirche engagiert. 28 Prozent haben sogar mindestens drei weitere ehrenamtliche Aufgaben. Ein Drittel von ihnen ist auch im Kirchenvorstand. Darüber hinaus engagieren sich viele auch in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales und können dadurch als Brückenbauer fungieren.
Ehrenamtliche haben oft mehrere Einsätze am Tag
Die Studie zeigt: Lektoren und Prädikanten engagieren sich ehrenamtlich, weil sie Interesse am kirchlichen Geschehen haben, Gottesdienste gestalten möchten und sich so mit Glaubensfragen beschäftigen. Viele wünschen sich auch, dass durch ihren Dienst in der eigenen Ortsgemeinde weiterhin regelmäßig Gottesdienste stattfinden können. 45 Prozent der Befragten wurden von ihrem Pfarrer angesprochen, bei 13 Prozent waren es Familienmitglieder und bei 11 Prozent andere Lektoren und Prädikanten.
Mehr als die Hälfte der Befragten war in einem Jahr zwischen drei- und zehnmal in der eigenen Kirchengemeinde beziehungsweise im Kirchenkreis im Einsatz (Lektoren: 70 Prozent; Prädikanten: 53 Prozent). Ein Siebtel der Lektoren und ein Drittel der Prädikanten haben in derselben Zeit zehn bis mehr als zwanzig Gottesdienste gestaltet. Teilweise waren es auch mehrere Einsätze am Tag.
Inzwischen haben neun von zehn Prädikanten Abendmahls-Gottesdienste geleitet. Ein Drittel der Prädikanten hat schon Hochzeitsjubiläen gestaltet. Schwierig ist die Übernahme von Bestattungen, da die meisten Interessierten (65 Prozent) berufstätig sind. 82 Prozent der leitenden Ehrenamtlichen und Pastoren attestieren Prädikanten eine (sehr) hohe Bedeutung für Kirchengemeinde und -kreis. Oft sei nur dadurch ein freies Wochenende oder Urlaub für Pfarrer möglich. Es greife allerdings zu kurz, die Befragten vor allem unter dem Vorzeichen einer Entlastungs- und Kompensationslogik zu betrachten.
Brückenbauer in außenkirchliche Räume
Lektoren und Prädikanten sind oft auch an außerkirchlichen Orten aktiv, etwa in Altenheimen oder Pflegeeinrichtungen (Lektoren: 24 Prozent; Prädikanten: 15 Prozent). Manche gestalten Einschulungsgottesdienste oder Gottesdienste beim Schützenfest. Laut Studie schlagen die Ehrenamtlichen durch diese Einsätze die Brücke zu Orten jenseits der klassischen kirchlichen Gebäude.
Den ehrenamtlichen Verkündigern kommt es laut der Studie vor allem darauf an, mit ihrem Dienst Zuversicht zu vermitteln. Außerdem soll der Gottesdienst zum Nachdenken anregen und eine zeitgemäße Sprache zu verwenden (87 bzw. 86 Preozent). 82 Prozent der Lektoren und 75 Prozent der Prädikanten sind (sehr) zufrieden mit der Situation in ihrem ehrenamtlichen Engagement. Relevant dafür sind eine gute zwischenmenschliche Atmosphäre und die Unterstützung durch die Gemeinde.
Keine angemessene Entschädigung
Etwa die Hälfte der Befragten wird bei der Gestaltung der Gottesdienste durch Pfarrer, Kirchenmusiker oder Gemeindebüro unterstützt. Allerdings berichten auch 50 Prozent von gar keiner Unterstützung. Die Prädikanten bringen dies recht direkt mit der Pfarrperson in Verbindung. 34 Prozent der Lektoren und 47 Prozent der Prädikanten haben in der Vorbereitung des Gottesdienstes noch nie mit dem Pfarrer gesprochen.
Erhebliche Defizite scheint es bei der Einladungspraxis zu den Kirchenkreiskonferenzen zu geben. Mehr als die Hälfte der Lektoren und Prädikanten bekommt nach eigener Aussage dazu keine Einladung (59 bzw. 52 Prozent). Damit fehle einem großen Teil der Ehrenamtlichen die Informations- und Vernetzungsplattform mit anderen Dienstgruppen.
Unzufrieden sind viele Ehrenamtliche mit der Aufwandsentschädigung für ihren Dienst. 47 Prozent der Lektoren und 61 Prozent der Prädikanten halten die Entschädigung für nicht angemessen. Insgesamt sehen sich die Befragten als Verkündiger und Gesichter der Kirche vor Ort. Die Pastoren nehmen sie zu 60 Prozent als lebenserfahrene Stimme aus der Gemeinde wahr. Für die Zukunft möchten Prädikanten und Lektoren deutlich weniger als Lückenbüßer agieren, sondern wünschen sich eine Rolle als „Begleiter auf dem Weg zu und mit Gott und als Ansprechpartner für Fragen des Glaubens“.
Der Studie zufolge ist der größte Teil der Prädikanten und Lektoren zwischen 52 und 61 Jahren alt (34 Prozent). 24 Prozent sind zwischen 62 und 69 Jahren und lediglich 8 Prozent unter 42 Jahre. Sie zeichnen sich durch ihre hohe formale Bildung aus: zwei Drittel von ihnen haben Abitur oder Fachabitur. 65 Prozent der ehrenamtlichen Verkündiger halten sich „voll und ganz“ für einen religiösen Menschen. Sechs von zehn fühlen sich mit der evangelischen Kirche sehr verbunden.
Die Befragung fand als Online-Erhebung statt. Mit Blick auf Rücklauf und Fallzahlen konzentriert sich die Auswertung auf die Gruppe der Lektoren und Prädikanten. Die meisten EKD-Gliedkirchen unterscheiden zwischen Lektoren und Prädikanten. Lektoren sind Ehrenamtliche, denen „Gottesdienste mit Lesepredigt“ übertragen werden. Prädikanten haben den Auftrag, „Gottesdienste mit selbstverfasster Predigt zu halten“. In fast allen Gliedkirchen dürfen Prädikanten Abendmahlsfeiern leiten. Sie haben meistens auch eine umfassendere Ausbildung.
Von: Johannes Blöcher-Weil