Ehemaliger MDR-Intendant tot aufgefunden

Udo Reiter hat wieder und wieder gegen ein Verbot der Sterbehilfe in Deutschland protestiert. Der frühere MDR-Intendant wirbt im Rahmen einer neuen Kampagne für ein selbstbestimmtes Lebensende. Am Freitag wurde er tot aufgefunden. Die Polizei geht von Suizid aus.
Von PRO
Die Polizei geht davon aus, dass Udo Reiter sich das Leben genommen hat
Als am Freitag bekannt wird, dass Udo Reiter in seiner Heimat in Sachsen gestorben ist, ist die Pressekonferenz der Giordano-Bruno-Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) gerade vorbei. Am Vormittag haben die beiden Organisationen in Berlin die Kampagne „Mein Ende gehört mir!“ vorgestellt, eine Fotoserie, in der Prominente wie Comedian Bernhard Hoëcker oder Liedermacher Konstantin Wecker gegen ein Verbot der Sterbehilfe in Deutschland protestieren. Einer ihrer berühmtesten Mitstreiter ist ausgerechnet Udo Reiter. Sein Suizid kann als letzter Aufschrei des Gegners eines Sterbhilfe-Verbots in Deutschland gedeutet werden. Denn eines der Hauptargumente der Verbotsgegner lautet: Wer dem Menschen die Möglichkeit nimmt, sich mit dem Wunsch nach dem eigenen Tod an Ärzte zu wenden, treibt ihn in den Selbstmord – und damit in eine möglicherweise inhumane Art des Sterbens. Seit Jahren trat Reiter wieder und wieder öffentlich mit seinem Wunsch nach einer Freigabe der Sterbehilfe in Deutschland in Erscheinung. Er talkte dazu bei Günther Jauch und Maybrit Illner, stritt darüber in der Süddeutschen Zeitung schriftlich mit Franz Müntefering, und nun hat er im Rahmen der Foto-Kampagne auch sein Gesicht dafür hergegeben.

Seit 1966 im Rollstuhl – Frau stirbt an Krebs

Seit 1966 saß Reiter im Rollstuhl. Ein Autounfall hatte seine Querschnittslähmung verursacht. Er promovierte, arbeitete beim Bayerischen Rundfunk und wurde 1991 der erste Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), 2011 ging er in den Ruhestand. Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes und zahlreicher anderer Auszeichnungen. Im Rahmen der neuesten Kampagne zitiert die DGHS den 70-Jährigen mit den Worten: „Ich habe trotz 47 Jahren im Rollstuhl ein schönes, selbstbestimmtes Leben geführt und möchte nicht als Pflegefall enden, der von anderen Leuten gefüttert und abgeputzt werden muss.“ In seiner Autobiografie aus dem Jahr 2013 berichtet er vom Sterben seiner ersten Ehefrau Ursula: „Sie hat die tödliche Diagnose und die qualvollen Behandlungen, Operationen, Chemotherapien, mit einer bewundernswerten Haltung ertragen. (…) Mich hat dieses Todeserlebnis veranlasst, mich eingehender mit der Problematik des Sterbens zu befassen. (…) Woher nehmen Politiker, Kleriker und Medizinfunktionäre das Recht, über meinen Tod zu entscheiden?“ Auch über den eigenen Tod dachte er nach: Wenn er sich für das Sterben entschieden habe, wolle er sich ungern vor einen Zug rollen oder sich selbst mit einer Plastiktüte ersticken. „Ich möchte auch nicht in die Schweiz fahren und mich dort auf einem Parkplatz oder in einem Hotelzimmer von Mitarbeitern der Sterbehilfe Exit einschläfern lassen. Ich möchte bei mir zu Hause, wo ich gelebt habe und glücklich war, einen Cocktail einnehmen, der gut schmeckt und mich dann sanft einschlafen lässt. Dieses Recht auf einen selbstbestimmten Tod ist das Gegenstück zum Recht auf ein selbstbestimmtes Leben“, war er überzeugt.

„Niemand von uns tritt für aktive Sterbehilfe ein“

Das war auch der Grund, für seine Teilnahme an der neuesten Kampagne, die neben Reiter auch Comiczeichner Ralf König oder Schauspieler Michael Lesch unterstützen. Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung erklärte am Freitag in Berlin die Ziele der Aktion: „Niemand von uns tritt für aktive Sterbehilfe ein.“ Vielmehr werbe man dafür, keine strafrechtliche Regelung zu schaffen, wie es etwa Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) plant. 2016 soll es ein neues Gesetz geben, derzeit bilden sich die ersten Gruppen im Bundestag für Gesetzesvorschläge. Die SPD-Abgeordneten Kerstin Griese und Eva Högl stellten ebenfalls am Freitag ein erstes Papier für einen möglichen Gegenentwurf vor, der Sterbehilfevereine verbieten will, Ärzten aber Freiraum lassen möchte. Ihnen und vielen anderen ist vor allem eine organisierte Sterbehilfe ein Dorn im Auge. Entsprechende Vereine sehen aber auch DGHS und Giordano-Bruno-Stiftung kritisch. Durch eine Freigabe einer Beihilfe zum Suizid in Fällen, „in denen das Leiden unterträglich wird“, erhoffen sie sich ein Ausbleiben der Nachfrage bei solchen Organisationen, erklärte Schmidt-Salomon. Einer der bekanntesten Sterbehelfer in Deutschland, der Arzt Uwe-Christian Arnold, nannte ein strafrechtliches Verbot der Suizidbeihilfe für seinen Berufsstand sogar ein „Zurückfallen in mittelalterliche Zustände“. Schmidt-Salomon erhoffte sich zudem einen Rückgang der Suizidrate bei einer Freigabe der Sterbehilfe in Deutschland. Udo Reiter, so traurig die Umstände auch sind, ist nun so etwas wie sein Kronzeuge geworden. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/sterbehilfe-recht-auf-einen-notausgang-87233/
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/groehe-gegen-sterbehilfe-87150/
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