Dr. Taban, die Provinz Pochalla und der rote Faden Gottes

Isaac Taban konnte nur Medizin studieren, weil er als Minderjähriger nach Uganda geflohen war. Er wurde Arzt – und doch fehlte ihm etwas, schreibt Uwe Heimowski.
Von PRO

Wir sitzen unter einem sogenannten Niembaum, brühen dessen Blätter mit Wasser auf und trinken den Sud als Tee. Dr. Isaac Taban hat ihn uns ans Herz gelegt: Gut für den Blutdruck, die Reinigung der Arterien – und vor allem für den Magen, der die fremde Küche in Afrika nicht immer gut verträgt. Schmeckt nicht schlecht und wirkt hoffentlich. Aber wenn ein Mediziner ihn empfiehlt …

Dr. Taban leitet ein „field office“ in Pochalla. Einer Provinz im Osten des Südsudan, direkt an der Grenze zu Äthiopien. Nur ein schmaler Fluss trennt die beiden Länder voneinander. Tearfund Deutschland, für das ich arbeite, führt hier mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und mit lokalen Partnern Projekte durch.

In Pochalla leben etwa 60.000 Menschen. Bis 2019 gab es Rebellenaufstände im Land. Pochalla ist von Sümpfen umgeben, man kann es nur zu Fuß oder mit dem Flugzeug erreichen. Ein idealer Rückzugsort für die Rebellen, die sich hier verschanzten und die Bevölkerung ausbeuteten. Tausende Menschen flohen nach Äthiopien. Viele blieben auch nach dem Krieg. Manche bei Angehörigen des gleichen Stammes, die auf der äthiopischen Flussseite leben. Etliche in Flüchtlingslagern. Wer zurückkam, stand oft vor dem Nichts: Felder waren niedergebrannt, Häuser zerstört. 

Stellt sich die Frage: Wie kommt ein promovierter Mediziner dazu, diesen Stützpunkt zu leiten? Isaac Taban wird 1987 geboren. Die Umstände sind schwierig, die katholische Familie ist arm, in der islamischen Republik Sudan werden die Christen massiv benachteiligt. Isaac ist ein guter Schüler, doch eine Chance auf eine höhere Schulbildung wird ihm in seiner Heimat verwehrt bleiben. Er hört, dass minderjährige Flüchtlinge in Uganda einen Abschluss erwerben können. Auf eigene Faust macht er sich, gerade zwölf Jahre alt, auf den Weg. Von 1999 bis 2005 lebt er im Flüchtlingslager. Mit Auszeichnung beendet er die Highschool und erhält in Khartum ein Stipendium für ein Medizinstudium. Er promoviert und arbeitet in Juba, der Hauptstadt des Südsudan, als Arzt in einer staatlichen Klinik. 

Eigentlich könnte er zufrieden sein. Doch Dr. Taban stürzt in eine Sinnkrise. Seine Arbeit lässt ihm wenig Zeit für andere Aktivitäten. In seiner Kindheit und in der Schule hatte er im Gottesdienst im Chor gesungen. Während des Studiums im streng islamischen Khartum wollte er nicht anecken und hatte darauf verzichtet, nun steht die Arbeit im Weg.

Wie sehr ihm Gemeinschaft und Glaube fehlen, merkt er, als er Aufträge als Berater für ein christliches Hilfswerk annimmt. Die gemeinsamen Gebetszeiten berühren ihn so, dass sein Glaube neu in ihm entfacht wird. 

Auch die Frage nach seiner Berufung stellt er sich neu. Ihm wird klar: Er möchte nicht mehr nur einzelne Patienten behandeln, sondern Strukturen so gestalten, dass Menschen gar nicht erst krank werden. Und so landet er bei Tearfund und trägt Verantwortung für eine ganze Region.

Hier kann er mit seinem Team Lebensgrundlagen für die Rückkehrer zu schaffen: Infrastruktur wird aufgebaut. Der Ausbau einer Landebahn für Transport-Flugzeuge, damit Hilfsgüter nach Pochalla gelangen. Deiche werden errichtet, um Überschwemmungen zu verhindern. Ernährungs- und Landwirtschaftsprogramme gehören dazu. Und ein Versöhnungsprojekt: ein Fußballcamp mit Jugendlichen aus verfeindeten Stämmen, die nun miteinander fairen Sportsgeist entwickeln.

War das Studium, zwölf Semester und zwei Jahre Praktikum damit umsonst? Dr. Taban lacht und nippt an seinem Neem-Tee: „Natürlich nicht, denn jeder Abschnitt hat sich aus dem anderen ergeben. Es war immer Führung Gottes, im Rückblick ein roter Faden.“ 

Von: Uwe Heimowski

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