„Dass wir immer diverser werden, ist ein wichtiges Element unserer Leitkultur“, erklärte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, auf einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Wo geht’s zur deutschen Leitkultur?“ auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) in Nürnberg.
Zimmermann erinnerte an die Streitigkeiten darüber, unter welchen Bedingungen hierzulande Integration stattfinden soll. „Vor sieben Jahren war das Händeschütteln Teil der Leitkultur. Dann hatten wir Corona. Da wurde es Teil der deutschen Leitkultur, keine Hände mehr zu schütteln.“ Leitkultur sei nichts Statisches. Daher müsse über das zugrundeliegende Wertegerüst beständig diskutiert werden.
Damit die Gesellschaft nicht auseinander falle, sollen Menschen Toleranz, Neugier und Aufgeschlossenheit einüben. Diese Ansicht vertrat Michael Griesbeck, Vizepräsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). „Wenn wir von Leitkultur reden, dann sprechen wir von einer immer Neues aufnehmenden Kultur“, sagte der BAMF-Vizepräsident.
Vielfalt macht Menschen Angst
Die Komplexität der gesellschaftlichen Diversität macht nach Ansicht von Antirassimus-Expertin Sarah Vecera Menschen auch Angst. Daher suchten sie nach einfachen Antworten.
Sie plädierte für mehr „Transkulturalität“ in der Kirche, wenn diese weiter relevant bleiben wolle in der Gesellschaft. Die Frage, wie Menschen zusammenkommen können, ohne dass eine Gruppe Dominanz ausübt, hält die Theologin und Religionspädagogin für zentral. „Was hindert uns daran, offen und respektvoll miteinander umzugehen?“ Vecera ist Koordinatorin Global Education der Vereinten Evangelischen Mission und Mitglied im Präsidium des DEKT.
„Zu den Realitäten gehört, dass Menschen Diversität gar nicht so toll finden“, sagte Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, und weiter: „Diese Menschen verdienen auch Respekt.“
Lammert warnte davor, „von der eigenen Fortschrittlichkeit so besoffen sein“ und anzunehmen, dass alle Mensch diese Fortschrittlichkeit uneingeschränkt zu teilen hätten. Fortschritt der Zivilisation sei jedoch nicht durch hermetische Abschirmung, sondern durch Öffnung entstanden.
Die Probleme der Integration würden nach seiner Beobachtung erst diskutiert, seit dem sich die Gesellschaft mit Migration beschäftigen müsse. Dem ehemaligen Bundestagspräsidenten sei aufgefallen, „wie stark die Integrationsfrage mit der Migrationsfrage verbunden“ werde. Dabei zeige sich, dass gelingende Integration mit Migration wenig zu tun habe.
Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) findet noch bis Sonntag in und um Nürnberg statt. Bei dem Treffen protestantischer Christen werden aktuelle Themen aus Kirche und Gesellschaft in Vorträgen, Gottesdiensten und Diskussionsveranstaltungen beleuchtet. Der DEKT steht in diesem Jahr unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. Bis zum Schlussgottesdienst am Sonntag rechnen die Veranstalter mit rund 100.000 Besuchern.