Die Welt wird nach Corona (k)eine andere sein

Wie wird die Coronakrise unsere Lebensweise langfristig verändern? Immer wieder sind die Prognosen zu hören, dass die Welt danach nicht mehr dieselbe sein wird. pro-Kolumnist Jürgen Mette hat da seine Zweifel.
Von PRO
Der Theologe Jürgen Mette leitete viele Jahre die Stiftung Marburger Medien. 2013 veröffentlichte er das Buch „Alles außer Mikado – Leben trotz Parkinson“, das es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Für pro schreibt er eine regelmäßige Kolumne.

Die Welt wird nach Corona eine andere sein. So hört, liest und sieht man in den Medien zuhauf. Der israelische Zukunftsforscher Yuval Harari im Handelsblatt vom 28 März 2020: „Wir werden in einer anderen Welt leben, wenn die Krise vorbei ist!“

Da bin ich aber mal richtig gespannt. Dass Schutzkleidung, Atemmasken und Desinfektionsmittel künftig wieder bei uns in Deutschland produziert werden, wird hoffentlich nicht der einzige Beweis unserer Lernfähigkeit in der post-coronalen Epoche bleiben. Und dass die Immobilienblase platzen und die extreme Preisentwicklung für unser Urbedürfnis nach sicherem Wohnen gestoppt wird, dazu muss man keine prophetische Gabe haben. Homeoffice wird Reisekosten senken, den Verkehrskollaps in den Ballungsräumen verhindern, die Umwelt schonen, aber auch das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer testen. Und Schule zu Hause ist für die Eltern megastressig, aber man bekommt auch ein Gefühl dafür, warum zum Beispiel in den USA „Homeschooling“ so erfolgreich läuft und das ganz ohne den Beigeschmack einer weltfremden Sektiererei.

Werden wir ein neues Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit der Schöpfung entwickeln, einen anderen Umgang mit Geld, vielleicht ein ganz neues Gesundheitssystem? Werden Menschen in Pflegeberufen künftig wirklich besser bezahlt? Schafft eine Gesellschaft, die irgendwie nach dem „Es-ist-ja-nochmal-gut-gegangen-Prinzip“ auf das Ende der Pandemie wartet, wirklich den U-Turn ihrer Gesinnung?

„Nur was uns erschüttert, kann uns auch bewegen“

Uns ist nicht das Dach weggeflogen, wie nach einem Hurrikan, wir müssen keinen Hunger leiden und wir sind miteinander medial vernetzt. Es hätte tatsächlich alles schlimmer kommen können. Insofern ist Dankbarkeit hoffentlich das Novum nach Corona schlechthin.

Aber was wird in ein bis zwei Jahren das Fazit einer möglicherweise noch Monate anhaltenden Viruserkrankung sein? Übrigens, die Pandemie ist in einer Zeit ausgebrochen, in der gerade noch die letzten Zeitzeugen des 2. Weltkrieges auf den Beinen, oder auf Rädern oder auf Unterarmgehstützen unterwegs sind. Die Urlaubspläne liegen auf Eis, dafür öffnen die heimischen Eisdielen zaghaft. Ein Sommer ohne Speiseeis ist schwer vorstellbar, aber auf die Urlaubsreise verzichten, das ist für viele eine Zumutung. Für mich nicht, denn ich habe als Handlungsreisender des Evangeliums eigentlich immer Urlaub gehabt. Koffer packen, losfahren, empfangen werden, gutes Essen serviert bekommen, auch ein paar Vorträge halten, für die man mich lobt oder auch mal kritisiert. Wenn das keine Urlaubsstimmung aufkommen lässt, dann weiß ich es auch nicht. Millionen von Menschen erholen sich in den Ballungszentren vom Fluglärm, die Atmosphäre wird gewaschen, den Hautärzten bleibt das Wartezimmer leer, keine Sonnenbrände beim Massentoast auf Teneriffa.

Ich habe heute für 95 Cent Diesel getankt. Schade, dass wir bei diesen Preisen daheim bleiben sollen. Viel Bedauerlicher: Die Entwicklung alternativer Fahrzeugantriebe wird angesichts des Preisverfalls fossiler Brennstoffe ausgebremst.

Was hat denn die Welt aus der durch Lehmann Brothers verursachten Weltwirtschaftskrise gelernt? Der Dichter Arno Pötzsch schreibt: „Nur was uns erschüttert, kann uns auch bewegen. Was uns bewegt, nur das kann uns verwandeln“.

Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde – die Zielverfehlung – ist der Leute Verderben (Sprüche 14,34). Ohne diese Einsicht, wird die post-coronale Phase sich kaum von der prä-coronalen Phase unterscheiden.

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