„Die Welt“ über Evangelikale: „Weder militant noch wortterroristisch“

"Die 'Frommen' sind auf dem Vormarsch" betitelt die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer aktuellen Ausgabe einen Beitrag über die Evangelikalen in Deutschland. "Welt"-Autor Gernot Facius hat dafür einen Blick auf die engagierten Protestanten geworfen – und räumt mit zumindest einigen Urteilen und Vorurteilen auf.
Von PRO

„In den USA blühen die evangelikalen Megakirchen. Viele von ihnen haben sich vom ‚alten‘ Protestantismus verabschiedet. In Deutschland gehen die Uhren (noch) anders. Zwar wächst auch hier die evangelikale Bewegung, vor allem unter jüngeren Menschen. Trendforscher sehen in den ‚Bibeltreuen‘ sogar die Kirche der Zukunft“, schreibt Gernot Facius in der „Welt“.

Es spreche zudem einiges dafür, dass innerhalb der protestantischen Christenheit in Deutschland jeden Sonntag mehr evangelikale als nichtevangelikale Christen an Gottesdiensten teilnehmen. „Aber amerikanische Verhältnisse haben sich nicht eingestellt: Von den geschätzten 1,4 Millionen Evangelikalen hat immerhin noch die Hälfte ihre Heimat in den 23 Landeskirchen, und die andere, freikirchliche, Hälfte ist in diverse Gruppierungen gespalten.“

„Lausanner Verpflichtung“: „Quasi die evangelikalen Bekenntnisschriften“

Facius skizziert in seinem Beitrag die Grundlagen des evangelikalen Glaubens, darunter das Verständnis der Bibel als Wort Gottes. Er zitiert aus der „Lausanner Verpflichtung“ und dem „Manifest von Manila“ – „quasi die evangelikalen Bekenntnisschriften“: Diese beanspruchten „eine Exklusivität des Glaubens, die mit dem Beharren auf der Irrtumslosigkeit der Bibel diametral zum Vernunftdenken und zum Modell des Religionspluralismus steht“, so Facius.

Gewalt geht von den Evangelikalen nicht aus

Ein „Hort des Fundamentalismus“ sei der deutsche Evangelikalismus jedoch nicht, zumindest dann nicht, wenn damit das gewaltsame Durchsetzen religiöser Überzeugungen gemeint sei, „dann geht der Schlag ins Leere“. „Gewalt geht von den Evangelikalen nicht aus. Selbst im Kampf gegen die Abtreibung, bei dem Glaubensgeschwister in den USA zu Militanz gegen Ärzte und Kliniken neigen, belassen sie es bei verbalen Protesten.“

Luthers „sola scriptura“ und die Evangelikalen

Weiter fragt Facius: „Sind sie wortfundamentalistisch, gar ‚wortterroristisch‘, wenn sie auf der uneingeschränkten Autorität der Bibel beharren?“ Der Kreis derjenigen, „die die Schrift Wort für Wort als verbalinspiriert betrachteten, sei in der Deutschen Evangelischen Allianz, einem starken Zweig des Evangelikalismus, nicht allzu groß, beschwichtigt der Allianz-Vorsitzende Jürgen Werth“.

Im Kontext des evangelikalen Bibelverständnisses beriefen sich ihre Sprecher, „zur Abwehr ungerechter Fundamentalismusvorwürfe, wieder stärker auf Luther“, meint Gernot Facius weiter. Sie teilten dessen Bibelverständnis, das „sola scriptura“. Dennoch, so zitiert Facius den Gießener Theologen und Buchautor („Die Evangelikalen“), Stephan Holthaus, könne die Reformation nicht als Vorläufer des Evangelikalismus bezeichnet werden, sie sei allenfalls eine seiner Wurzeln.

Pluralität und Weitblick

Zum Bild der Evangelikalen in Deutschland gehöre auch der Fakt der Pluralität. „Die Evangelikalen sind kein homogener Block, sondern ein buntes Gebilde aus Allianz-Evangelikalen in der Tradition der Erweckungsbewegung, Bekenntnis-Evangelikalen und Charsimatikern mit einer gefühls- und erfahrungsbetonten Frömmigkeit. Es gibt ‚rechte‘ und ‚linke‘ Flügel, ‚Konservative‘ und ‚Progressive‘, und auch die ‚Mitte‘ ist stark vertreten“, so Facius. Aber alle eine ihr „extrovertierter Glaube, die Priorität für die Mission, die Lehre von der Bekehrung des Einzelnen und die Frage nach dem Heil des Menschen“.

Und auch manche Position der katholischen Kirche könnten die Evangelikalen durchaus teilen, zitiert der „Welt“-Autor Reinhard Hempelmann, Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen: In seiner Modernitäts- und Relativismuskritik spreche der jetzige Papst vielen Evangelikalen aus dem Herzen. Ähnlich sieht das der Rektor der Freien Theologischen Akademie in Gießen, Helge Stadelmann: „Vermutlich könnten die meisten Evangelikalen sehr gut mit dem Schriftverständnis (…) leben, das Benedikt XVI. in seinem neuesten Jesus-Buch formuliert und in Abgrenzung zu vielen kritischen Zugängen der letzten 150 Jahre herausgearbeitet hat.“

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