Der Streit, wie weit die Medien beim Zeigen von Tötungsbildern gehen dürfen, sei so alt wie die visuelle Berichterstattung, doch ohne eindeutiges Ergebnis geblieben. Für das Zeigen der Bilder spräche etwa, dass die Bilder schlicht da seien, sie vorzuenthalten käme einer Zensur gleich. Wie die Essayistin Susan Sontag angemerkt habe, könnten die Bilder auch verhindern, die Gräueltaten zu vergessen.
Einige Argumente der Kritiker zögen nicht, die sich dagegen aussprechen, grausame Bilder zu zeigen, sagt Klonk. Der Einwand, Menschen könnten bei Betrachten der Bilder Fiktion und wirkliches Leid verwechseln, treffe für die meisten Menschen nicht zu. Auch die Behauptung, wiederholtes Betrachten von Gräuelszenen führe zu einer Abstumpfung und verhindere politisches Handeln, sei nicht belegt.
Klonk selbst wendet gegen das Zeigen von Bildern ein, dass diese in der Politik kaum etwas bewirkten. So sei mit dem Zeigen Tausender Toter im Syrien-Konflikt immer die Hoffnung verbunden gewesen, dass sich die Staatengemeinschaft angesichts der sichtbaren Grausamkeiten zum Eingreifen entschließe. Doch dies sei nicht geschehen. "Zu stark ist das machtpolitische Kalkül einzelner Staaten im Sicherheitsrat." Die Betroffenheit, die Bilder auslösen könnten, habe nicht zur Handlungsfähigkeit geführt.
Ein weiterer Einwand gegen das Zeigen der Bilder sei deren Entstehung. Oftmals seien die Bilder kein Nebenprodukt des Gewaltaktes. Im Gegenteil werde eine Kamera oft zum Anlass einer Ermordung, die dann für die Kamera in Szene gesetzt werde. "Es geht um die medienwirksame Zirkulierung der Bilder", so Klonk.
Würde der Opfer im Blick
Eindeutiger lasse sich die Frage beantworten, wenn die Opfer selbst in Betracht gezogen würden. Denn "das Anschauen der Aufnahmen konstituiert eine gravierende Verletzung der Würde der Opfer", argumentiert Klonk. "So wie man keine Gräber schänden darf […], so sollte man jenen Bildern die Aufmerksamkeit verweigern, die gewaltsame Tötungen zeigen." Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Folter- oder Vergewaltigungsprozessen, sei das Zeigen der Bilder im Sinne der Opfer.
Die Verantwortung für den Bilderkonsum legt Klonk allerdings beim Zuschauer an. Weder sei auf die Selbstregulierung der Medien Verlass, da der Wettbewerb diese zum Tabubruch treibe. Noch seien staatliche Sanktionen die Lösung, denn hier überschreite man schnell die Grenze zur Zensur. Daher müsse der Zuschauer mit einem "Konsumentenboykott" Grenzen setzen. Dieser würde es Mördern erschweren, ihre Bilder medienwirksam zu verbreiten.
Charlotte Klonk ist Professorin für Kunst und neue Medien am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Berliner Humboldt-Universität. Sie forscht unter anderem zur Bildgeschichte des Terrorismus. (pro)