Die unvollendete Geschichte

Was treibt Salafisten eigentlich an? Um diese Frage zu beantworten, hat Spiegel-Redakteur Takis Würger mit Dennis Rathkamp, einen Vertreter der radikalen muslimischen Bewegung, gesprochen und ihn begleitet. Seine Recherchen in Ägypten führten zu einem jähen Ende.
Von PRO

Rathkamp, der in dem niedersächsischen Dorf Hohenhameln aufgewachsen ist, lebe mittlerweile in Ägypten. 60 Personen reisten pro Jahr dort hin aus, schätze der Verfassungsschutz. Rathkamp selbst „wollte die Sprache seines Propheten lernen“. Er selbst nenne sich Muslim, weil er das Wort Salafist ablehne. Auch Gewalt lehne er eigentlich ab, aber Dieben unter gewissen Umständen die Hand zur Strafe abzutrennen, dagegen habe er nichts. Seine Ehe mit einer Abiturientin aus Braunschweig sei bereits von einem Imam arrangiert.

Nur schwarz oder weiß

Einer von Rahtkamps Mitstreitern in Ägypten sei Sven Lau, der sich selbst Abu Adam nenne. Der heute 32-Jährige konvertierte vor 14 Jahren zum Islam. Lau stehe unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. In Mönchengladbach habe er den fundamentalistischen Verein „Einladung zum Paradies“ geleitet. Dort engagierten sich Bürgerrechtler gegen ihn, auch die Staatsanwaltschaft ermittelte. Die „sogenannten Sprachschulen“ seien häufig ein Ort der Radikalisierung, schreibt Würger. Im Salafismus gebe es nur schwarz oder weiß, Hölle oder Paradies, verboten oder erlaubt.

In Rathkamps Biografie findet der Spiegel-Redakteur keine Keimzelle seiner Radikalität. Der 24-Jährige Niedersachse habe in seiner Jugendzeit den Kirchenchor mit der Gitarre begleitet. Je intensiver er sich mit dem Christentum beschäftigt habe, desto mehr habe er gezweifelt. Theologisch sei ihm nicht eingeleuchtet, dass Gott seinen Sohn ans Kreuz nageln ließ. Ein YouTube-Video über den islamischen Prediger Pierre Vogel habe bei ihm dafür gesorgt, mehr über die andere Religion lernen zu wollen.

Begegnungen der anderen Art

Die Recherchen Würgers sorgen auch für schwierige Begegnungen. Seine Nachforschungen zeigen ihm, dass er dort nicht erwünscht ist und ihm von Salafisten mit Gewalt gedroht wurde. Wie entspannt könnte die Welt sein, wenn Religion nie erfunden worden wäre, fragt sich Würger.

Der Weg zur Radikalisierung vollzieht sich laut Terrorforschern in drei Phasen. Nach einem Unmut über die Missstände paarten sich diese Gefühle mit einer Ideologie und einem Weg, der zeige, wie es besser werden könnte. In der dritten Stufe folge die Mobilisierung durch Gruppendynamik oder einen charismatischen Anführer. Für Lau, der eine Familie hat, sei der „Heilige Krieg“ keine mögliche Option: Er unterstütze lieber mit Geld und Medikamenten die Arbeit. Er stehe dazu, dass andere Salafisten Würger bedroht hätten: „Ich füge mich der Gemeinschaft.“ Rathkamp habe er als Menschen kennengelernt, der in Ruhe seinen Gott anbeten wollte. Aber vielleicht, bilanziert Würger, hätten „diese Männer auch Ziele, die sie vor mir verbergen wollten“ – eventuell in Mali zu kämpfen oder ihn zu töten.

Seine Recherche zu dem Artikel musste Würger abbrechen. Die Spiegel-Redaktion in Hamburg hatte einen anonymen Anruf erhalten, dass er von Salafisten getötet oder entführt werden könnte. Viele Fragen des Spiegel-Redakteurs blieben unbeantwortet. So auch diejenige, ob Rathkamp glücklich und zufrieden mit seiner Situation sei.

Klare Kante zeigen

Laut jüngsten Untersuchungen des Verfassungsschutzes hat sich die Zahl der Salafisten im vergangenen Jahr in Deutschland von 3.800 auf 4.500 erhöht. Zusammen mit etwa 1.000 gewaltbereiten Islamisten stellten sie „eine ernst zu nehmende Gefahr“ dar, sagte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen im Focus. „Wenn der Staat gegenüber salafistischen Bestrebungen nicht klare Kante zeigt, besteht die Gefahr, dass diese Gruppen weiter wachsen. Es ist denkbar, dass die Bereitschaft zur Gewalt, auch zu Anschlägen, zunimmt.“

Der Staat müsse „klar und entschieden repressiv vorgehen, also Strukturen und Finanzwege aufklären und zerschlagen“. Auf der anderen Seite müssten die Behörden prüfen, wie sie Handlungsräume von Salafisten einschränken können.“ Die Salafisten sehen sich als Hüter der Religion, haben aber nur eine kleine Minderheit der Muslime hinter sich. (pro)

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