Wie erreicht man die Unerreichten? Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Kirchen. Sorge bereiten die aktuellen Zahlen der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“: 40 Prozent der Evangelischen glauben nicht an Gott oder sind sich unschlüssig. Die Zeitschrift Chrismon begibt sich in ihrer aktuellen Ausgabe auf Spurensuche, was Gemeinden probieren, um Glauben zu vermitteln.
Von PRO
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Dass sich Menschen wieder mit dem Glauben auseinandersetzen ist das Ziel von Glaubenskursen. Das Magazin Chrismon hat untersucht, auf welche Weise Kirchen Glaubenskurse anbieten
Auf ihrer Spurensuche trifft die Redakteurin Christine Holch auf Neugierige und Sehnsüchtige. Eine von ihnen ist Verena Müller-Wieprecht. Die Naturwissenschaftlerin musste ihre Nähe zur Kirche erst wieder finden. Als Kind beantwortete ihre Glaubensfragen niemand. Erst als der Vikar der Kirchengemeinde eines ihrer Kinder zur Kinderkirche einlud, kam sie wieder in Kontakt mit der Kirche. Sie machte beim Gospelchor mit und nahm anschließend an einem Glaubenskurs teil. Solche Glaubenskurse bietet der hessische Pfarrer Markus Eisele an. Er will vor allem mit „Ausgetretenen und Immer-schon-Ungläubigen“ über den Glauben sprechen und ihnen Gottes Liebe vermitteln. In den Kursen sollten sie in „aller Freiheit ihr Verhältnis zum Glauben klären können“.
Erst der Mensch, dann die Organisation
Der badische Oberkirchenrat Matthias Kreplin erntete von den Befragten Kritik dafür, dass er 2.000 Konfessionslosen einen Brief schrieb, indem er sie zur Rückkehr in die Kirche einlud. Ihnen werde der Eindruck vermittelt, dass nur zahlende Mitglieder für die Kirche interessant schienen: „Es muss uns zuerst um den Menschen gehen und nicht um den Erhalt der Organisation“, weiß er jetzt. Die Ergebnisse der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ zeigen, dass nur 22 Prozent der Protestanten an einen „persönlichen Gott“ glauben. „Es ist falsch zu sagen, wir dürften uns Gott erst nähern, wenn wir eine bestimmte Glaubensqualität erreicht haben“, meint der EKD-Vizepräsident Thies Gundlach.
Die Menschen liebhaben
Gottesdienste für Suchende und Kirchenfrustrierte gibt es mittlerweile viele. Ein Leuchtturmprojekt ist die Andreasgemeinde in Frankfurt mit bis zu 800 Gottesdienst-Besuchern. Sie versteht sich als missionarische Gemeinde mit evangelikalen und charismatischen Elementen, ist aber in ihrer Theologie sehr liberal. 400 Ehrenamtliche sind dort aktiv, ein Großteil von ihnen im missionarischen Bereich – ohne, dass dies die Gemeinde selbst so nennen würde.
„Man muss die Leute liebhaben, wenn man sie erreichen will“, meint der Marburger Theologe Heinzpeter Hempelmann. Für 90 Prozent der Mitglieder fehlten die Berührungspunkte mit ihrer Kirche. Der Kontakt zu Nichtgläubigen werde meistens über Brückenköpfe hergestellt, etwa ein ungetauftes Mädchen, das plötzlich mit ihrer Freundin zum Konfirmandenunterricht gehen möchte.
Dabei gehe es in ostdeutschen Glaubenskursen um ganz andere Fragen als im Westen: „Die Wissbegier auf Glaubensdinge ist wahrnehmbar, aber keine Massenbewegung“, schreibt Holch über die „weitgehend entkirchlichte Region“. Die Naturwissenschaftlerin Verena Müller-Wieprecht hat nach ihrem Glaubenskurs übrigens einen Hauskreis gegründet, indem sie alle Fragen loswerden kann. Dann schickte sie ihren ungläubigen Mann zum kirchlichen Männertreffen. Jetzt sind beide im Vorbereitungsteam für den nächsten Glaubenskurs. Er habe Menschen im Blick, „die mitten im Leben stehen, die sich aber trotzdem mal gern mit solchen Dingen auseinandersetzen wollen“. (pro)
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