pro: Was erwarten Sie von dem Dialog mit den Evangelikalen?
Beatriz Sarkis Simoes: Wir machen sehr schöne geistliche Erfahrungen als Gruppe. Darüber bin ich sehr glücklich. Seit dem Anfang der Gespräche sind unter uns enge freundschaftliche Beziehungen entstanden. Wir sind Brüder und Schwestern in Christus. Ich hoffe, dass wir diese Erfahrung nach außen tragen können und mit dem geplanten Dokument Evangelikale und Katholiken in ihren Gemeinden erreichen. Der Dialog soll ein Dienst für die Gemeinden sein, damit Katholiken mehr über Evangelikale lernen und umgekehrt genauso. Das ist wichtig, um Vorurteile abzubauen.
An welchen Punkten ist der Dialog schwierig?
Der Umstand, dass wir als Katholische Kirche den Dialog hier nicht mit einer anderen Kirche, sondern mit einer Bewegung führen, ist eine Herausforderung. Denn die evangelikale Bewegung ist in sich selbst sehr vielfältig. An manchen Punkten sind die evangelikalen Vertreter untereinander nicht einer Meinung, sodass wir ihnen mitunter etwas Zeit geben müssen, um sich erst einmal zu einigen. Aber das ist gleichzeitig auch das Geschenk, dass wir Einheit in der Vielfalt erleben dürfen.
Was können Sie persönlich von Evangelikalen lernen?
Ihre Treue zum Wort Gottes ist beeindruckend. Die Bibel hat einen zentralen Stellenwert in ihrem Leben, nicht nur während der Gottesdienste, sondern sie bestimmt ihr Leben. Und man sieht, wie sich das in den moralischen Werten, die sie leben, widerspiegelt.
Wo gibt es inhaltliche Differenzen zwischen der katholischen Seite und den Evangelikalen?
Die sind sicherlich am größten bei den Fragen, welche Bedeutung die Kirche hat, insbesondere für das Seelenheil, und in welchem Verhältnis Schrift und Tradition zueinander stehen. Außerdem ist der Stellenwert der Jungfrau Maria für Evangelikale und Katholiken unterschiedlich, wobei beide sie als Mutter von Jesus anerkennen.
Wie denken die Katholiken in Brasilien über Papst Franziskus? Er kommt ja aus Ihrem Nachbarland.
Wir freuen uns sehr darüber, dass er Lateinamerika in den Vatikan bringt. Das ist wie ein neuer Atem – seine Nähe zu den Menschen, die Betonung der Brüderlichkeit. Die erste große Reise nach seiner Nominierung war die zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro. Ich war auch dort. Er wurde sehr herzlich willkommen geheißen. Ein wichtiger Punkt dabei ist sicher auch, dass er sich nicht immer streng an das Protokoll hält. In Rio ist er ohne Schutz mit seinem Papamobil durch die Menschenmenge an der Copacabana gefahren. Dabei hat er mehrmals angehalten, hat er die Leute begrüßt und Mate mit ihnen getrunken. Er sucht die Nähe zu den Menschen. Damit pflegt und lebt er, was den Glauben ausmacht, er lässt ihn aufblühen.
Kommt der neue Papst besser an als Benedikt XVI.?
Ich denke, das kann man nicht vergleichen. Von Benedikt habe ich eine hohe Meinung. Er hat mir persönlich und vielen anderen Katholiken mit seiner theologischen Tiefe sehr geholfen. Wir verdanken ihm viel. Und dass er sein Amt niedergelegt hat, war eine Lektion, die sehr deutlich für sich sprach. Ich bin sicher, dass der Heilige Geist auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert. Zunächst haben wir einen Papst wie Benedikt gebraucht. Mit Franziskus, der engen Kontakt zu Benedikt hat und ihn sehr schätzt, erhält die Katholische Kirche nun die Erfahrung, den Atem und den Glaubensweg des Südens im Allgemeinen und Lateinamerikas im Besonderen.
Vielen Dank für das Gespräch! (pro)
Die Fragen stellte Jonathan Steinert.