Die Theorie der digitalen Bibel

Welchen Stellenwert hat die Bibel als elektronisches Medium? Wie lesen Menschen im digitalen Zeitalter das Buch der Bücher? Diese Fragen stellt der Publizist Edgar S. Hasse im Rahmen einer „Medientheologie der Bibel“. Die implizite Pointe: Es geschieht nichts Neues unter der Sonne!
Von PRO

Ob es eine Sternstunde der Aufklärung oder der Unverfrorenheit war, als sich Thomas Jefferson seine Bibel zusammenkleisterte, darüber werden sich die Geister scheiden. Mit Kleber und Schere bastelte der dritte Präsident der USA an seiner persönlichen Heiligen Schrift. Alles, was ihm unvernünftig und übernatürlich vorkam, Wunder und Auferstehung etwa, blieb außen vor. Von dem Werk wusste Zeit seines Lebens nur sein Bekanntenkreis.

Einer Weltöffentlichkeit hingegen wäre ein solches Projekt heute dank des Internets mit einem Schlag zugänglich gemacht. Und am Rechner mit den Text-Funktionen Kopieren und Einfügen einfacher umzusetzen als mit klassischer Bastelei. Doch wenn jedermann über die Möglichkeit verfügt, seine eigene Bibel zu veröffentlichen, wer verfügt dann noch über die Wahrheit der christlichen Botschaft im Internet?

Postmoderne Mediatisierung

An Stellen wie diesen setzt Hasses Buch „Von der Offenbarung ins Web 2.0“ an: Der Theologe und Redakteur der Tageszeitung Welt, der auch Vorstandsmitglied des Christlichen Medienverbunds KEP ist, untersucht die Übertragung der biblischen Inhalte in das Internet mit seinen vielfältigen Formen, von der klassischen Seite bis hin zu Social-Media-Angeboten. „Mediatisierung“ nennt er diesen Prozess der Fixierung des christlichen Offenbarungsgeschehens in unterschiedlichen Medien.

Was mit den urchristlichen Briefen seinen Anfang genommen hat, setze sich nun im Internet fort, erklärt Hasse. Während früher jedoch Experten die Veröffentlichung und Deutung der Bibeltexte in der Hand hatten, stehe dieser Vorzug dank des Internets jedem Menschen offen. Mit dem Internet drohe also „postmoderne“ Beliebigkeit, und damit auch eine Verzerrung der biblischen Botschaft.

Die Ambivalenz vernetzter Elektronik

Bibelgesellschaften, Kirchen und Christen seien daher aufgefordert, etwaigen „Fehldeutungen“, die im Internet kursieren, aktiv entgegenzutreten. Dies könne geschehen, indem sie „falsche“ Einträge im Internet-Lexikon Wikipedia korrigieren. Außerdem seien Christen herausgefordert, ihren Glauben im Internet zu vermitteln: „Die Heiligkeit der Bibel mit ihrem Ursprung im Willen Gottes ist immer wieder neu in den profanen und säkularisierten Öffentlichkeiten des Internets zur Sprache zu bringen – und zu erklären.“

Hasse versucht, die Ambivalenz christlicher Inhalte in elektronischer Form herauszustellen. Einerseits fühlten sich junge Menschen angesprochen, wenn eine Gemeinde etwa Liederbücher für Smartphones anbietet. Andererseits seien diese Medien vernetzt. Eine Bibel auf dem Smartphone sei für die „Stille Zeit“, in der es um Ruhe vor Gott gehe, „wenig hilfreich“. Das Ablenkungspotential sei zu hoch, die Bibel in gedruckter Form daher vorzuziehen.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Ob die „Stille Zeit“ mit dem Smartphone gelingt, wird natürlich weniger am Medium, sondern vielmehr am Nutzer liegen. Mit dem Problem der Ablenkung bei der Andacht sahen sich wohl Christen zu allen Zeiten konfrontiert. Auch Hasses Aufforderung, das Christentum zu erklären und den Stellenwert der Bibel zu betonen, richtet sich eigentlich an Christen aller Zeiten und ist kein exklusives Problem des digitalen Zeitalters.

Die Stärke des Buches liegt weniger in der Vorstellung praktischer Ansätze als vielmehr in der beschreibenden Darstellung des Phänomens „Bibel im Internet“. Positiv hebt Hasse dabei Projekte wie die Basis-Bibel hervor: Der Bibeltext erscheint im Internet und nutze dessen Möglichkeiten, indem der Nutzer auf erklärende Bilder und Texte verwiesen wird.

Neben diesen deskriptiven Passagen kommen grundlegende Bemerkungen zu Geschichte und technischen Aspekten des Internets hinzu. Mit dieser Aufmachung wendet sich das Buch an (Medien-)Experten, die sich auch nicht an der umständlichen Sprache des Buches stören werden. Der christliche Internetnutzer darf dem Buch die Aufforderung entnehmen, im Internet das Christentum und die Bibel bekannt zu machen. (pro)

Edgar S. Hasse, „Von der Offenbarung ins Web 2.0. Die Bibel im digitalen Zeitalter – Impulse für eine Medientheologie“, Brunnen-Verlag, 14,99 Euro 128 Seiten, ISBN 978-3-7655-2005-1

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