Die „taz“ beleuchtet die Evangelikalen

Über den "Aufstieg der evangelikalen Christen in Deutschland" berichtet die "Tageszeitung" auf drei Seiten in ihrem aktuellen Wochenendmagazin. Der Autor besuchte die "Biblische Glaubensgemeinschaft in Stuttgart", beleuchtet evangelikale Interessengruppen oder interviewte Homeschool-Eltern.
Von PRO

„Angriff der Superfrommen“ lautet der Titel der Wochenendausgabe der „taz“, hinter dem sich eine Analyse der deutschen Evangelikalen verbirgt. Unter dem Foto eines Kreuzes steht: „Sie kämpfen gegen Emanzipation und Evolutionslehre, Pornografie, Homosexualität und den Islam: Evangelikale Christen sind auf einem Kreuzzug gegen den Zeitgeist und streben nach politischem Einfluss, und das nicht nur in den USA.“

In Amerika würden „am Ende der Ära Bush ein Viertel der Bevölkerung den Evangelikalen zugerechnet“ – „ultrakonservative Protestanten, die auf einer wörtlichen Auslegung der Bibel bestehen“. „Selbst der neue Präsident Barack Obama kommt offenbar nicht an ihnen vorbei: bei seiner Amtseinsetzung am 20. Januar wird der evangelikale Pastor Rick Warren – ein erbitterter Gegner von Homoehe und Abtreibung – um Gottes Beistand bitten.“

In Deutschland dagegen hätten sich „die evangelikalen Christen lange abgeschottet und öffentlich wenig eingemischt – ganz im Sinne von Luthers Zwei-Reiche-Lehre, die politische Zurückhaltung nahe legt. Sie kuschelten sich in ihren frommen Ghettos ein, kritisierten selbst die Vertreter der Evangelikalen die eigenen Schäfchen immer wieder. Inzwischen ist aber von politischer Zurückhaltung nichts mehr zu spüren“, schreibt der Autor, der laut „taz“ im „pietistisch geprägten Baden-Württemberg“ aufwuchs und daher mit dem „gestrengen Moralismus frommer Christenmenschen“ vertraut sei.

Evangelikale werden „immer lauter“ und mischen sich ein

Rund 350.000 deutsche Evangelikale beteiligten sich von Sonntag an wieder an der Gebetswoche. Dabei werde auch „für Christen in Schlüsselpositionen von Politik, Kultur, Medien und Wissenschaft“ gebetet, sowie „für unsere Regierung im Land bei der Beurteilung des Islam“ und dafür, „dass unser Land und die Gesellschaft wieder mehr von christlichen Werten und der christlichen Botschaft geprägt werden“. (Gebetsanliegen der Allianz-Gebetswoche)

„Immer lauter“ mischten sich die Evangelikalen in Debatten und Wahlkämpfe ein, „bombardieren Politiker mit Briefen und Fragen“, so die „taz“. „Die Evangelikalen betreiben ein ganzes Netzwerk aus Zeitschriften, Nachrichtenagenturen, Fernsehsendern und Radiostationen, sie beschäftigen eigene Lobbyisten und PR-Kräfte.“ Der Theologe Thomas Schirrmacher, Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz, wird zitiert mit den Worten: „Wir haben derzeit so viele Chancen, uns selbst in den Medien darzustellen, wie nie zuvor.“

Unter dem Dach der „Deutschen Evangelischen Allianz“ versammelten sich rund eineinhalb Millionen Menschen, manche Schätzungen gingen sogar von 2,5 Millionen Menschen aus. Dazu kämen „eine unübersichtliche Zahl“ an Bibelhauskreisen, missionarischen Zentren, Vereinen, Sozialeinrichtungen, Drogentherapiegruppen oder Armenspeisungen. „Seit wenigen Wochen haben die Evangelikalen auch eine staatlich genehmigte Hochschule, die Freie Theologische Hochschule in Gießen, die vorher lediglich den Status einer Akademie hatte.“ Das sei ihre „heimliche Tragödie: Eine pluralistische Gesellschaft hält die Evangelikalen aus – sie sind es, die an ihr verzweifeln“. Was die Evangelikalen laut „taz“ verbindet: „der Widerstand gegen den Zeitgeist“.

Homeschooling und Evolutionslüge

Der Autor besuchte die Biblische Glaubensgemeinschaft in Stuttgart, in deren Sonntag-Gottesdienste bis zu 4.000 Menschen kommen. Pastor Peter Wenz sagt in seiner Predigt unter anderem: „Es gibt Feinde. Es gibt Menschen, aber auch böse Mächte, die das nicht wollen, was Gott will. Wir sind das Volk Gottes, wir sind eine heilige Nation. Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“

Auch ein Besuch einer Familie aus Archfeld in Hessen, die ihre Kinder seit Jahren selbst unterrichten, ist Grundlage des Artikels. Weil sie ihre Kinder nicht in die staatliche Schule schicken, verurteilte sie das Landgericht Kassel im Sommer zu drei Monaten Gefängnis. Ein Revisionsverfahren ist indes noch unentschieden. In den Regalen findet der Reporter Bücher wie „Evolution. Ein kritisches Lehrbuch“, „die bekannteste deutsche Kreationistenfibel“, oder „Die Evolutions-Lüge“, ein Buch, in dem es gleich zu Beginn heiße: „Aus einem Affen wurde nie ein Mensch!“ Etwa 500 bis 1.000 solcher Homeschooling-Familien gebe es in Deutschland.

„Lieber drei Monate Gefängnis für uns Eltern als jahrelanges Gefängnis in der Schule für die Kinder“, sagt die Mutter. Denn in der Schule würden ihre Kinder mit „Modeströmungen“ konfrontiert, „und bestimmte Meinungen werden verfestigt“. Auf die Frage, was sie genau damit meine, antwortet sie: „Das, was der Zeitgeist eben gerade diktiert.“ Die neunköpfige Familie hatte sich Ende der 90er Jahre in das 150-Seelendorf zurückgezogen.

Der Reporter interviewte auch den „Beauftragten der Deutschen Evangelischen Allianz am Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung“, den „Cheflobbyisten der deutschen Evangelikalen“, Wolfgang Baake. Seine Themen seien etwa der Schutz von Ehe und Familie, Abtreibung und Sterbehilfe. „Wir müssen dahin zurück, wo unsere Gesellschaft herkommt“, sagt Baake. Die Tageszeitung „Die Welt“ habe ihn einmal einen „Funktionär der Fundamentalisten“ genannt. Auf die Frage, ob er ein Fundamentalist sei, antwortet Baake: „Was ist besser, als auf einem Fundament zu stehen? Dem Fundament des Bibel?“

Richard Dawkins, der „Goebbels der Darwinisten“

In derselben Ausgabe des „taz“-Wochenendmagazins findet sich zudem ein kritischer Artikel über den Biologen und überzeugten Atheisten Richard Dawkins. Unter der Überschrift „Gott ist in jeder Tomate“ schreibt der Autor: „Der Ultra-Darwinist Richard Dawkins prügelt stets auf die Kreationisten ein – erst recht im Darwin-Jahr 2009. Und langweilt die Welt dafür beständig mit seinem erbärmlichen Rationalismus.“

Dem „Wiedererstarken vor allem der monotheistischen Religionen“ seien in den letzten Jahren „gleich mehrere Religionskritiken“ entgegengetreten – so etwas das Buch „Der Gotteswahn“ vom „Goebbels der Darwinisten“, Richard Dawkins. „Sein ärmlicher Rationalismus beißt sich am Gottesbeweis fest und bringt dabei die Wahrscheinlichkeit ins Spiel“, schreibt der Autor entnervt.

Dawkins gebe „wüste Tiraden gegen die Bibel und die ganze gläubige Welt“ von sich, und sei der Religion dabei selbst „näher als ihm lieb sein dürfte“. Der konsequent weiter gedachte und auf die Gesellschaft übertragene Darwinismus habe zu menschlichen Katastrophen geführt, wie die Geschichte zeigt. Der Autor des lesenswerten Artikels ist laut „taz“ „evangelisch und geht nie in die Kirche“. (PRO)

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