Die Sühne eines Massenmörders

Joshua Milton Blahyi war schlimmer als alle anderen. Als General Butt Naked schlachtete er im liberianischen Bürgerkrieg Tausende Menschen auf grausamste Weise ab. Heute ist er Christ und Priester. Und er bitte seine Opfer um Vergebung. In seiner aktuellen Ausgabe porträtiert das Magazin Der Spiegel den ehemaligen Kriegsverbrecher.
Von PRO
Als General Butt Naked („General Nacktarsch“) zog Blahyi nackt in den Krieg. Nur mit Turnschuhen und einer Machete bekleidet, weil er glaubte, das mache ihn unverwundbar. Bevorzugt opferte er Babys, weil ihr Tod großen Schutz versprach. Tatsächlich traf ihn selbst nie eine Kugel. Dafür ermordete er nach eigener Aussage aber mindestens 20.000 Menschen auf grausamste Art und Weise. Er rekrutierte unzählige Kinder zwischen neun und zehn Jahren zu Kindersoldaten. Er beherrschte die Straßen seiner Heimatstadt Monrovia und versetzte deren Bewohner in Angst und Schrecken, heißt es in dem Spiegel-Bericht.

Vor sechs Jahren machte Blahyi Aussage bei einer Wahrheitskommission in Liberia, der Anwälte Journalisten und Priester angehören. Sie wollten herausfinden, was der Mann während des Bürgerkrieges getan hatte. Blahyi beantwortete jede Frage. Zu den Kindersoldaten erklärte er: „Ich pflanzte Gewalt in sie. Ich machte ihnen verständlich, dass das Töten von Menschen ein Spiel war.“ Außerdem gibt er zu, angeschossenen Feinden die Rücken aufgerissen zu haben und deren Herzen lebend gegessen zu haben. Die Frage, ob er sich nun den „Evangelisten Blahyi“ nenne, bejahte er ebenfalls. Und als er gefragt wird, warum er sich trotz dieser Vergangenheit entschieden hat, zur Wahrheitskommission zu kommen, sagte er: „Für meinen Glauben. Man sagte mir, ich solle die Wahrheit sagen, und die Wahrheit wird mich befreien.“

Auf der Suche nach Vergebung


Blahyi, der ehemalige Massenmörder, ist mittlerweile Priester. In der zweiten Hälfte des liberianischen Bürgerkriegs kam er zum Glauben. Der Bischof der Soul Winning Church in Monrovia, John Kun Kun, besuchte ihn im Jahr 1996 in seinem Lager. Kun Kun und andere Kirchenführer wollten etwas gegen den Terror unternehmen und entschieden, damit bei den Armeeführern anzufangen. Kun Kun sagte zu Blahyi: „Ich wollte dir nur sagen, dass Jesus dich liebt und dass er einen besseren Plan für dein Leben hat.“ Dann sprach der Bischof ein Gebet, Blayhi sprach es mit. Dann schoss der General seinem Bodyguard in die Knie, weil er den Bischof zu ihm vorgelassen hatte. Trotzdem lässt er kurz darauf den Geistlichen wieder zu sich und findet langsam zum Glauben. Er entdeckt die Bibel und in Johannes 3, 16 eine Lieblingsstelle: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ 

Heute nennt sich Blahyi mit erstem Vornamen Joshua, nach dem Heerführer von Moses. Sonntags predigt er in seiner Gemeinde in Monrovia. Die Gottesdienste sind immer gut besucht und die Leute kommen, um Blahyi zu hören. Außerdem hat er eine Missionsstation für ehemalige Kindersoldaten gegründet. Zusammen mit seiner Frau hat er drei Kinder adoptiert. Und der 42-Jährige sucht Vergebung. Seit mehreren Jahren sucht er seine Opfer und deren Angehörige auf. Meistens weiß er nicht mehr, welches Leid er ihnen zugefügt hat. Er wünscht sich Vergebung, die „aus der Tiefe des Herzens kommt.“ 19 von 76 Menschen hätten ihm bereits verziehen. Der Gang zu den Opfern ist für Blahyi hart. „Früher konnte ich gar nichts fühlen. Jetzt fühle ich ihren Schmerz“, sagt er. Er ist sich sicher, dass auch Gott ihm seine furchtbaren Taten vergeben hat und dass er in den Himmel kommt. „So steht es in der Bibel. Wer an Jesus glaubt, wird nicht gerichtet“, ist der Familienvater überzeugt.

„Ich würde nicht weglaufen“


Auch vor weltlichen Gerichten ist die Chance, dass Blahyi verurteilt wird, gering. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, der Kriegsverbrechen ahndet, ist erst für Verbrechen nach dem Jahr 2002, also nach seiner Gründung, zuständig. Ein Sondergericht, das durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates eingerichtet werden könnte, gibt es in Liberia ebenfalls nicht. Würde man dieses einrichten, bedeutete das eine ähnlich instabile Situation wie in Somalia, schreibt der Spiegel. Also habe man sich für Stabilität und gegen Gerechtigkeit entschieden.

Blahyi wäre aber bereit, für seine Taten ins Gefängnis zu gehen. „Ich würde es bereitwillig annehmen. Selbst die Todesstrafe. Selbst wenn ich könnte, würde ich nicht weglaufen“, erklärt er im Öffnet externen Link in neuem FensterVideo-Interview. „Mein Meister Jesus sagt: ‚Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber Gott, was Gottes ist.‘“

Blahyis Frau findet, er sei ein neuer Mensch geworden. Auf die Frage, warum er früher ein Leben führte, das nur aus Töten bestand, sagte Bischof Kun Kun: „Es war die einzige Sache, die er kannte. Ich glaube, er genoss es, dass Leute vor ihm Angst hatten.“ Blahyi selbst sieht sich als ein Zeichen Gottes: „Ich glaube, dass Gott mich als ein Zeichen benutzen will. Egal, wie weit ein Mensch geht, er hat das Potenzial, sich zu ändern.“ (pro)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/kinderherzen-verspeist-general-gesteht-kannibalen-rituale-vor-dem-kampf-a-530689.html
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